Die Anstalt

DI 18.11.2014 | 22.25 Uhr | ZDF

An der deutsch-deutschen Grenze sind einst etwa 800 Leute gestorben. Es ist gerade mal zwei Wochen her, dass die Deutschen das 25. Jubiläum des Mauerfalls gefeiert haben.
Jetzt haben wir 2014, und an der europäischen Außengrenze steht vielerorts wieder eine Mauer, und die ist sehr viel höher als damals die Mauer in Berlin. 20.000 Menschen sind dort, oder auf der Flucht nach Europa in die EU schon umgekommen. Aber irgendwie redet da kaum jemand drüber. Viele wissen das auch gar nicht.

Da muss erst eine Satiresendung das Thema aufgreifen, und man bekommt das Drama, den politischen Skandal vor Augen geführt. Und ich muss zugeben, dass ich in der Anstalt am Dienstagabend im ZDF einiges gelernt habe.
„Die Anstalt“ nahm in der Live-Sendung (!) das Mauerfalljubiläum zum Anlass, um diesen Gegensatz darzustellen.
In einem Sketch unterhielten sich ein Mitarbeiter der Grenzschutzagentur Frontex und ein DDR-Grenzschützer, und Letzterer wundert sich, was an der europäischen Grenze denn so alles ganz ohne Schießbefehl möglich sei. Der DDR-Mann habe im Unrechtsstaat gelebt, und der Frontex-Mann?, will der Grenzer wissen. Der war Friedensnobelpreisträger.

Es sind Momente, wo einem das Lachen im Hals stecken bleibt. „Die Anstalt“ war beißende Satire, die Sendung legte in selten gesehener Weise den Finger in eine klaffende Wunde.
Aber die Satiriker gingen noch weiter. Sie legten am Ende jede Satire beiseite, denn die Zuschauer sollten auch erfahren, wer denn da nach Europa kommt, wer da nach Deutschland flüchtet. Eine Gruppe Syrer betrat die Bühne, einer der Männer sprach von den zerstörten Städten, die sie verlassen haben, von der Heimat, die so nicht mehr existiert. Und der Appell: „Bitte, Deutschland, behaltet euren Frieden!“ Daraufhin sang der syrische Flüchtlingschor „Zuflucht“.

Eine Satiresendung kann vielleicht nicht die Welt ändern. Aber sie kann meinungsbildend sein. Sie kann zeigen, worum es geht in diesem Land, worüber wir eigentlich reden sollten. Das Publikum im Studio war sichtlich ergriffen, und in der Tat bot „Die Anstalt“ einen Gänsehautmoment der Erkenntnis.


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