Fresse, Gauck!

Joachim Gauck ist unser Bundespräsident. Er soll uns sagen, was Sache ist. Er soll… ja, was soll er eigentlich? Soll er nur unser Grußaugust sein? Soll er ansonsten die Fresse halten, wenn es um aktuelle Parteipolitik geht?
Gerade wird darum wieder mal gestritten, weil sich Gauck unverschämterweise zur Linkspartei geäußert hat. Oder besser: Weil er Fragen gestellt hat.

Auf Uli Deppendorfs Frage, was er davon hält, dass die Linke in Thüringen wohl den Ministerpräsidenten stellen wird, sagte er: „Naja, Menschen, die die DDR erlebt haben und in meinem Alter sind, die müssen sich schon ganz schön anstrengen, um dies zu akzeptieren. Aber wir sind in einer Demokratie. Wir respektieren die Wahlentscheidungen der Menschen und fragen uns gleichzeitig: Ist die Partei, die da den Ministerpräsidenten stellen wird, tatsächlich schon so weit weg von den Vorstellungen, die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen hier, dass wir ihr voll vertrauen können? Und es gibt Teile in dieser Partei, wo ich – wie viele andere auch – Probleme habe, dieses Vertrauen zu entwickeln. Und wir erleben gerade in Thüringen einen heftigen Meinungsstreit: Ja, was ist denn diese Partei nun wirklich?“

Gauck stellt Fragen. Er fragt, welche Rolle denn die Linken spielen. Gauck merkt an, dass es für Leute, die vor 25 Jahren gegen das SED-Regime kämpften, schwer ist, diese aktuelle Entwicklung hinzunehmen. Gauck sagt aber auch, dass sei eben Demokratie.
Und das soll Gauck nicht dürfen?
„In strittigen Fragen der aktuellen Parteipolitik ist allerdings Zurückhaltung klug und geboten, zumal die Amtsautorität des Staatsoberhauptes auf seiner besonderen Überparteilichkeit beruht.“ Das sagt SPD-Vize-Parteichef Ralf Stegner über die Äußerungen von Bundespräsident Joachim Gauck.

Überparteilichkeit bedeutet also, nichts mehr über die Parteien Deutschlands zu sagen? Heißt Überparteilichkeit nicht eher, dass er zu allen Parteien seinen Senf dazugeben darf? Kritisiert Gauck nicht auch hin und wieder, was SPD und CDU machen? Das darf er, das muss er.
Heißt Überparteilichkeit, dass zwar alle applaudieren, wenn er sich völlig zu recht gegen Rechts und die NPD äußert, aber die Linke sich aufregt, wenn er irgendwas sagt, was die Linke betrifft?
Drüberstehen darf nicht schweigen heißen.

Ich bin nun wirklich nicht in jeden Punkten Gaucks Meinung. Ich denke, dass die Linke von heute nicht mehr die SED von damals ist. Ich denke, die Partei hat sich entwickelt, auch wenn noch ewig Gestrige dabei sind.
Aber verbiete ich dem Bundespräsidenten deshalb seine Gedanken zu äußern? Es ist auch nicht Gaucks Aufgabe, es allen Deutschen recht zu machen. Vielmehr ist es unsere Aufgabe, ihm zuzuhören und nicht gleich hysterisch zu werden, bloß weil man irgendwo irgendwelche Satzfetzen aufgeschnappt hat, die dann auch noch reißerisch interpretiert werden.
Es ist unsere Aufgabe, zu werten, was er sagt. Dabei kann auch mal rauskommen, dass wir nicht seiner Meinung sind.
Wenn Gauck jedoch mal nicht meine persönliche Meinung teilt, heißt das trotzdem nicht, dass er „nicht mehr mein Präsident“ ist. Das wäre viel zu kurz gedacht.

Und deshalb, lieber Joachim Gauck, stellen Sie bitte weiter bohrende Fragen. Äußern Sie bitte weiter Ihre Gedanken. Auch wenn sie weh tun. Auch wenn ich mal der Meinung bin, sie Ihre Meinung sei falsch. Aber ich höre sie mir an. Und lassen Sie sich nicht Ihre Meinung, Ihre Ansichten, Ihre Fragen verbieten und verdrehen!

Fresse, Gauck? Nein! Auf gar keinen Fall!


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