David Wagner / Jochen Schmidt: Drüben und drüben – Zwei deutsche Kindheiten

Ein Leben im Osten: Morgens musste erst mal das Bett hochgeklappt werden. Im Radio suchte man immer nach den „richtigen“ Sendungen, zum Beispiel auf RIAS 2 („Schalt dein Radio an, denn der „Treffpunkt“ ist dran!“). Paketscheine. Bei der Post anstehen. Westpakete. Das „Neue deutschland“ diente dazu, Pappmaché-Figuren zu basteln. Testsendungen vom Videotext im Fernsehen. Nasszelle als Badezimmer. Die großen jungs holen gleich den ABV. Die Schulmappe, die im Klassenzimmer seitlich am Tisch hing. „Die Reise nach Sundevit“. Faschingsparty am 11.11. In der Kaufhalle nach einem Wagen anstehen. EVP. Ungarischer Ketchup. Erbsenkatschies. Friedensfahrt. Und so weiter.

Ein Leben im Westen. „Lustige Taschenbücher“. Spielzeug im Spielkeller. Playmobil. Ritterburg und Westernstadt. Kofferradio. Das grüne Licht des Radioweckers. Die C90-Leerkassette, BASF, Maxell, TDK. Einbauküchen. Cerankochfeld. Mikrowelle. Elektrischer Dosenöffner. Bidet. Heizungskeller. Das Spielhäuschen aus Holz. Krieg spielen. Rennrad mit drei Gängen. Fußball mit Tennisbällen. Auf leere Dosen springen. Kaugummiautomaten. C64. Und so weiter.

Jochen Schmidt ist in Ost-Berlin in der DDR aufgewachsen, David Werner in der Bundesrepublik, unweit von Bonn. In „Drüben und drüben“ erzählen sie von ihrer Jugend.
Das Buch erscheint passend zum 25. Wende-Jubiläum. Was da entstanden ist, sind eigentlich zwei Bücher. Man kann es von beiden Seiten lesen. Wer vorne anfängt, liest die Oststory, wer hinten anfängt die Weststory. Am besten ist es, wenn man die Kapitel, die immer gleich betitelt sind (Kinderzimmer, Wohnzimmer, Küche, Schule usw.) abwechselnd liest.
Vermutlich kommt das jeweils so beim Leser an, je nachdem woher man selbst kommt.
Als Leser, der auch im Osten aufgewachsen ist, kann man sicherlich mehr mit den Osterinnerungen anfangen.
Aber davon mal abgesehen sind beide Storys spannend. Jochen Schmidt (Ost) erzählt allerdings ein wenig detailreicher, irgendwie liebevoller. Es wirkt manchmal ein wenig, als ob sich Schmidt viel lebendiger erinnert als Wagner.
Aber vielleicht sieht das ein westdeutscher Leser ja genau andersrum.

David Wagner / Jochen Schmidt: Drüben und drüben – Zwei deutsche Kindheiten
Rowohlt, 336 Seiten
7/10


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Kommentare

Eine Antwort zu „David Wagner / Jochen Schmidt: Drüben und drüben – Zwei deutsche Kindheiten“

  1. Bockenheimer

    Mir als Westdeutschem geht es mit Schmidt und Wagner genauso. Schmidt schreibt einfach besser. Vielleicht hat er auch mehr oder Intensiveres erlebt oder er kann sich besser an das Erlebte erinnern. Das Schmidtsche BRD-Leben bleibt flach, wahrscheinlich war es das auch.

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