Abschied vom alten Runge

Es war ein kurzer Moment der Wehmut. Ganz allein schlenderte ich durch die Flure des alten Runge-Gymnasiums. Stille. Und dieser Geruch. Ganz wie damals, vor 20 Jahren.

Am Sonnabend feierte das Oranienburger Runge-Gymnasium seinen 100. Geburtstag. Aus diesem Anlass gab es nicht nur ein großes Fest, sondern man konnte auch noch mal durch die Flure des alten Hauses schlendern. Der Schulbetrieb läuft seit zwei Jahren im neuen Haus, und das alte Gemäuer soll bald saniert werden. Es war dementsprechend wohl das letzte Mal, dass ich dort durchlaufen konnte und mir die alte Schule im alten Stil ansehen konnte.

Wie in einer Rückblende im Film: Ich laufe durch den Flur, bin ganz alleine, und plötzlich ploppt eine Erinnerung auf. Irgendwann zwischen 1991 und 1994. Deutsch-Unterricht in einem der Klassenräume. Wir lesen John Maynard und müssen das Gedicht auswändig lernen. Was habe ich mich gequält, aber ich finde Fontanes Zeilen immer noch toll.
Einer der Klassenräume steht offen, ich laufe rein. Abgesehen davon, dass er fast leer ist, sieht er immer noch aus wie vor 20 Jahren – und vermutlich wie auch vor 50 Jahren. Wahnsinn, wie sehr die Verantwortlichen das Haus verrotten ließen.
Ich laufe weiter, entdecke Winkel, an die ich mich gar nicht mehr erinnern konnte. Im Seitenflügel, da hatten wir einst Geografie. Da vorne hing immer die Europakarte, ich saß damals ganz vorne.
Und ich laufe weiter, und die nächste Erinnerung ploppt auf. Vor meinem geistigen Auge ist der Flur voller Schüler, die auf die nächste Unterrichtsstunde warten. Irgendwo muss das Chemiekabinett sein. Die Chemie und ich, wir waren keine Freunde.

Im Seitenflügel ein Stockwerk tiefer ist immer noch der Kunstraum. Ein stiller Moment der Erinnerung, ich bin immer noch ganz allein. An der Wand hängen Zeichnungen, Kunstkalender, und auf einem Tisch stehen Gipsmodelle. Ich schmunzele, wenn ich an meine nicht immer so gelungenen Kunstwerke von damals denke.
Eine Gruppe Ehemaliger kommt in den Raum, sie lassen sich von einer Schülerin das alte Haus zeigen.
Ich gehe wieder raus, noch einmal in den Flur. Noch einmal die Luft schnuppern, noch einmal das Flair aufnehmen. Ein letzer Blick, ein Seufzer, und ich verlasse das Haus. Mein Abschied vom alten Runge-Gymnasium.


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