Der Rücktritt

DI 25.02.2014 | 20.15 Uhr | Sat.1

Am Ende musste ich mir fast schon die Augen reiben: Da zeigte Sat.1 doch tatsächlich mal einen anspruchsvollen, politisch-gesellschaftlich relevanten Fernsehfilm. Und der war auch noch packend umgesetzt! Am Dienstagabend ist „Der Rücktritt“ von Bundespräsident Christian Wulff Anfang 2012 rekonstruiert worden.
Sat.1 und Regisseur Thomas Schadt hätten daraus ein reißerisches, heroisches Stück machen können – haben sie aber nicht. Stattdessen gab es einen hochspannenden Einblick in die Politik- und den Medienbetrieb.

Die Wulff-Affäre sorgte Ende 2011 und Anfang 2012 für Wirbel. Christian Wulff sagte, was sein Hauskredit angeht, zunächst die Unwahrheit und verschleierte Gefälligkeiten von Freunden und Geschäftspartnern.
Im Film ging es um die letzten 68 Tage vor dem Rücktritt. Auf geradezu bedrückende Weise war zu sehen, wie schlecht Wulff mit der Krise umgegangen ist. Völlig hilflos, aber völlig von sich und seinem Amt eingenommen. Dem Bundespräsidenten ans Bein pissen – das wagt doch keiner! So dachte er, so zeigt es zumindest der Film, und die Macher geben an, dass der Film im Großen und Ganzen die wahren Geschehnisse zeigten – von Details natürlich abgesehen.

Aber auch die Medien bekamen ihr Fett weg – das heißt, der Film zeigte ganz schlicht, wie der fall Wulff auch mehr und mehr zur Hexenjagd geworden war. Alles schaukelte sich hoch, die Hysterie kannte keine Grenzen mehr.
Ganz schlicht, wie gesagt. Fast schon nüchtern arbeitete „Der Rücktritt“ die Ereignisse ab, aber das machte ihn so sehenswert. Er endet in dem Augenblick, als Bettina und Christian Wulff die Rücktrittspressekonferenz verlassen.
Bahnbrechend neue Erkenntnisse brachte der Film nicht – spannend, das noch mal so zu sehen, war er aber auf jeden Fall.

Dass ARD und ZDF an diesem Stoff kein Interesse hatten, ist bedauerlich und vor allem unverstänlich. Bei Sat.1 ging „Der Rücktritt“ leider quotenmäßig ziemlich unter, aber von dem Ramschsender erwartet auch niemand mehr gute Fernsehware. Bei ARD oder ZDF hatte der Film wohl ein paar Zuschauer mehr gehabt.


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Kommentare

2 Antworten zu „Der Rücktritt“

  1. ThomasS

    Fast noch sehenswerter fand ich die Dokumentation, die Sat.1 im Anschluss zeigte und bei der auch Zeitgenossen zu Wort kamen, die den Skandal um Wulff miterlebt und aktiv begleitet haben. Diese lieferte mir einiges an neuen Erkenntnissen. Dass der heutige Christian Wulff – deutlich abgemagert und ohne Brille – nicht mehr derselbe Mann ist, der damals als Bundespräsident zurücktrat, hätte man sehen. Aber es ist immer gut, wenn dir eine Beaobachtung von offizieller Seite bestätigt wird. Auch den ganzen Kladderadatsch um seine neue Liebe zu seiner späteren Ehefrau Bettina habe ich damals nicht so wahrgenommen. Ich hoffe, sie bekommt nicht allzu viele Hassbriefe, denn die Doku hat sie zwar nicht als schuldig hingesellt, aber doch als treibende Kraft für den Aufstieg ihres Ehemannes. Wären die zwei sich niemals über den Weg gelaufen … vielleicht würde Wulff noch heute als konservativer Politiker und treuer Ehemann im beschaulichen Niedersachsen sitzen. Sie hat ihn hochgepusht. Vorher – so die Doku – gab es keine Skandale! Dann hatte er Macht und wusste damit nicht umzugehen. Er erwies sich als zu schwach und war für sie nicht mehr attraktiv, darum musste sie sich trennen, um nicht mit in den Abgrund gezogen zu werden. Solche Frauen gibt es! Das ist nicht deren Schuld, es ist einfach ihre Natur! Frauen, die genauso drauf sind, tummeln sich haufenweise in der Welt der Schönen und Reichen, ohne dass es irgendwen juckt! Erstaunlich fand ich die Szene am Ende des Films, als Wulff mit seinen Beratern den Wortlaut seiner Rücktrittsrede erarbeitet und sie aus dem Hintergrund vom Sofa her am Mäkeln ist. In der Doku wurde jedoch dann erwähnt, dass sie Medienreferentin sei, also durchaus nicht naiv in solchen Dingen!

    Was die Beziehung zwischen Wulff und der Presse angeht (namentlich der Boulevardpresse) so denke ich, dass beide Seiten sich nichts geschenkt haben. Er war ja so doof, dem Diekmann auf die Mailbox zu quatschen, der die Aufnahme ja dann auch trotz Entschuldigung veröffentlicht hat. Seine Frau saß im Auto direkt daneben, ist ihm aber auch nicht in den Arm gefallen, als sie merkte, dass ihr Göttergatte sich astrein in die Scheiße reitet! Natürlich hat er sie vorher nicht um Rat gefragt, womöglich um ihr Bild von der Führungspersönlichkeit nicht zu beschädigen, das sie sich gemacht hatte. Eine vertrauensvolle Beziehung schaut anders aus!

    Zum Glück flogen der Bildzeitung & Co. ihre Hetzkampagnen postwendend um die Ohren, als sie es eine Spur zu weit getrieben haben! Als ich die Doku sah, dachte ich erst, „Meine Güte, was hat der Diekmann abgenommen“. Dann war es aber nur ein anderer Journalist, der Ähnlichkeit mit Diekmann hat. Diekmann selbst kam gar nicht zu Wort! Und das höchstwahrscheinlich nicht deshalb, weil er nicht gefragt wurde, sondern weil er nichts dazu sagen wollte! Welch vornehme Zurückhaltung für den Chef der BILD-Zeitung!

    Unsympathisch fand ich in der Doku allein die Journalistin SIBYLLE WEISCENBERG, die sich im Interview als eingefleischte Wulff-Hasserin hervorgetan hat. Am geilsten fand ich ihre Äußerung, sie bewundere den „Mut“ derjenigen, die die Abschiedszeremonie Wulffs gestört haben, indem sie aus der Ferne mächtig Krach geschlagen haben!

    „Erstaunlich fand ich die Szene am Ende des Films, als Wulff mit seinen Beratern den Wortlaut seiner Rücktrittsrede erarbeitet und sie aus dem Hintergrund vom Sofa her am Mäkeln ist. In der Doku wurde jedoch dann erwähnt, dass sie Medienreferentin sei, also durchaus nicht naiv in solchen Dingen!“

    Wobei durchaus die Frage erlaubt sein darf, wo der Film solche Inhalte hernimmt. Eigentlich sehe da nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie entspringt der Fantasie irgendeines Autors. Dann darf sich das Justiziat von Sat.1 möglicherweise auf eine Verleumdungsklage gefasst machen!

    Oder aber, einer der vier Beteiligten hat aus dem Nähkästchen geplaudert. Vielleicht wurde die Szene sogar von Bettina selbst inspiriert, weil die das in ihrem Buch so geschildert hat, welches ich nicht gelesen habe.
    In diesem Fall gehe ich davon aus, dass sie sich selbst ihre eigene Rolle ein wenig schönreden wollte. Dagegen ist an sich nix einzuwenden. Das machen die meisten Menschen genauso, weil sie ansonsten psychisch gar nicht überleben könnten!

    Aber das auch noch zu veröffentlichen (sollte es sich so verhalten) … das wäre schon was Besonderes! Entweder würde es besonderes Verdrängungspotenzial beweisen oder besondere Chuzpe!

    Wie auch immer … ich denke, Frauen wie Bettina sind nicht dazu bestimmt, lang allein zu bleiben. Vermutlich hat sie längst einen neuen starken Partner an ihrer Seite, der ihr einen langen angenehmen Urlaub in der süßen Abgeschiedenheit einer Südsee-Insel finanzieren kann, dass sie von alledem gar nix mitkriegt! Falls der dann auch irgendawann Pleite gehen sollte, muss sie wieder nach Europa zurück. Aber bis dahin ist hoffentlich genug Gras über die Sache gewachsen und keiner interessiert sich mehr für sie.

    Bei all meinem Hass gegen die Boulevardpresse und ihre hetzerischen Unterstellungen … ich denke, bei den Spekulationen um den Eskort-Service hat man wohl den Nagel auf den Kopf getroffen. Auch wenn Bettina de facto niemals für einen solchen gearbeitet hat!

    „Dann hatte er Macht und wusste damit nicht umzugehen. Er erwies sich als zu schwach und war für sie nicht mehr attraktiv, darum musste sie sich trennen, um nicht mit in den Abgrund gezogen zu werden. Solche Frauen gibt es! Das ist nicht deren Schuld, es ist einfach ihre Natur!“

    Frauen, die auf Deibel komm raus an ihrem Mann kleben bleiben, egal, wie mies der sie behandelt, bekommen auch nicht unseren Respekt! So what!

  2. RT

    Was Frau Weischenberg angeht – ich finde es lustig, dass die jetzt so tut, als sei sie seriöse Journalistin. Was die Proteste beim Wulff-Zapfenstreich angeht – da bin ich ihrer Meinung.

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