Die Frau am Fenster

Ein außerordentlicher Zwischenfall sorgte in unserem Büro neulich dafür, dass die Arbeit für kurze Zeit zum Erliegen kam.
Es kommt immer mal wieder vor, dass wir Leute in gegenüberliegenden Haus dabei beobachten, wie sie aus dem Fenster gucken – oft machen sie das sehr lange, und wir fühlen uns manchmal auch ein wenig beobachtet.
Neulich aber, da war alles anders.

Ein Kollege ist darauf aufmerksam geworden. Hinter dem Fenster gegenüber saß eine ältere Frau. Den Kopf hatte sie auf der Brust. Sie bewegte sich scheinbar nicht.
Schlief sie? Oder schlief sie gar für immer? Immer mehr Kollegen sind auf sie aufmerksam geworden und starrten rüber. Bewegt sie sich? Passiert da was?
Denn, mal ernsthaft: Wenn irgendwas mit ihr gewesen wäre, hätten wir definitiv was unternehmen müssen. Nicht, dass da jemand stirbt, und wir würden zusehen.
Ein Kollege wummerte ans Fenster, aber natürlich konnte sie das nicht hören. Sollten wir jemanden schicken, um zu klingeln? Oder sollen wir gleich einen Krankenwagen rufen?
Bewegt sie sich? Beweg dich! Los, beweg dich!
Langsam, aber sicher, machte sich ein mulmiges Gefühl breit.

Aber dann: Mit einem Ruck wachte sie auf, sah sich um. Ob sie gemerkt hat, dass wir sie die ganze Zeit im Visier hatten (und dann applaudiert haben!), wissen wir nicht. Sie hat das Fenster sogleich verlassen und ist seitdem dort nicht mehr gesehen worden.


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