„Es kann doch nicht einfach alles vorbei sein!“

Schüler des Oranienburger Louise-Henriette-Gymnasiums sprachen über den Tod und das Sterben

MAZ Oranienburg, 30.1.2014

ORANIENBURG
Am Anfang herrschte Skepsis: Anderthalb Stunden lang über den Tod reden? Ist das nicht zu traurig? Gerade einige der Jungs schienen unsicher zu sein. Ja, es war traurig, aber auch tief beeindruckend und bewegend.

Am Oranienburger Louise-Henriette-Gymnasium findet in den 11. Klassen die Religions-Philosophische Woche statt. Eines der Seminare beschäftigte sich gestern Vormittag mit dem Tod, vom Umgang mit dem Sterben. „Es wird viel geschwiegen, nicht nur unter den Jugendlichen“, sagt Simona Blankenburg. Die Geschäftsführerin des gemeinnützigen Vereins „Home care Berlin“, der sich vor allem um die häusliche Versorgung todkranker Menschen kümmert, leitete die Runde. „Rezepte, wie man mit Trauer umgehen kann“, gibt es nicht.

Die MAZ konnte in dem sehr intimen Zirkel dabei sein. Es darf auch berichtet werden, was besprochen worden ist – allerdings ohne Namen zu nennen. „Vertrauen ist sehr wichtig“, so Simona Blankenburg.

„Ich dachte immer, nach dem Tod kommt einfach nichts“, sagte eine der Elftklässlerinnen. „Vergleichbar wie ein Schlafzustand. Aber irgendwann war mir klar: Da muss noch was sein.“ Eine ihrer Mitschülerinnen brachte es auf den Punkt: „Es kann doch nicht einfach alles vorbei sein! Alle Gefühle und Emotionen, war dann alles umsonst?“ Ein anderes Mädchen beschrieb den Tod so: „Die Seele verlässt den Körper, um an einen besseren Ort zu kommen, aber es sind nicht Himmel oder Hölle. Es ist einfach ein Ort.“ Einer der Jungs schien dagegen ganz überzeugt zu sein: „Nach dem Tod kommt nichts mehr.“ Er sehe das rein biologisch.
Es stellte sich heraus, dass viele aus der Gruppe schon Erfahrungen mit dem Tod gemacht haben. Der Vater eines der Mädchen ist vor kurzem gestorben. Eine für sie schwierige Zeit. „Wenn man alleine da sitzt und anfängt nachzudenken ist das schlimm“, erzählte sie. Viele von den Kursteilnehmern haben ihre Oma und Opas verloren. Einer erzählte, dass er einen guten Freund verloren habe – ein Herzfehler, der nicht erkannt worden ist.

Und so begannen sie alle, nach und nach zu erzählen. Es waren bedrückende Augenblicke, aber in der Gruppe sind die Erzählungen gut aufgehoben gewesen. „Ich hatte in meiner Familie noch nie etwas mit dem Tod zu tun, aber es geht mir nah, diese Geschichten zu hören“, sagte einer der Elftklässler während des kleinen Seminars.

Auch über Rituale rund um das Sterben sprachen die Jugendlichen. Beerdigungen zum Beispiel und der Leichenschmaus. „Das widerspricht sich“, sagte eines der Mädchen. „Erst ist man traurig, und plötzlich geht man zusammen essen und lacht. Das passt nicht.“ Ihr Klassenkamerad hat das anders empfunden, als er Ähnliches erlebte: „Das Essen nach der Beerdigung war ein Fest für den Toten.“ Ihm habe das gefallen. Simona Blankenburg erinnerte daran, dass solche rauschenden Feste in anderen Kulturen vollkommen üblich seien.

Ganz am Ende zündeten alle Teilnehmer noch eine Kerze an – in Gedenken an Verstorbene aus ihrem Umfeld. Ausnahmslos alle waren sich danach einig, dass sie dieses Gespräch über den Tod nachhaltig beeindruckt hat. „Es fällt mir hier leichter drüber zu sprechen als in meiner Familie“, sagte ein Mädchen und lobte auch die Gesprächsrunde: „Ich bin stolz auf euch.“ Stolz darauf, dass alle gemeinsam ein wirklich tiefgründiges Gespräch über ein schwieriges Thema führten.


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