Tom Rachman: Die Unperfekten

Tot ist die Zeitung noch nicht. Aber sie liegt schon im Sterben. Einige Lokalblätter in Nordrhein-Westfalen sind bereits Zombies, die nur noch erscheinen, um, nun ja, zu erscheinen. Redakteure werden dafür schon nicht mehr bebraucht. Auch sons wird gespart, was man den Blättern mehr und mehr ansieht. Die großen Verlage halten sich noch, weil sie nun auch Briefe verteilen. Es heißt, das Lokale sei die Zukunft – um dann aber das Lokale nicht zu stärken, sondern personell weiter auszudünnen. Das wird sich rächen.
Tom Rachman, gerade mal Mitte dreißig, erzählt von so einer sterbenden Zeitung, einem in Rom produzierten englischsprachigen Blatt. Rachman erzählt in einzelnen Kapiteln über die Leute, die diese Zeitung machen.

Da gibt es den Krankreich-Korrespondenten, der fix mal eine Geschichte erfindet, um endlich mal die Seite-1-Story zu bekommen. Wird schon durchgehen. Der Chefkorrektor, der ständig Rundmails mit den schlimmsten grammatikalischen und inhaltlichen Verfehlungen rumschickt, seine Kartei besteht aus 18.000 Einträgen. Ein Pedant, wie ihn alle Redaktionen kennen. Der Mann für die Nachrufe reist extra sonstwohin, um eine Todgeweihte zu interviewen, sein Nachruf wird dann vom Chef vom Dienst auf sieben Zeilen gekürzt, weil er die Dame nicht kannte.
Es wird kaum investiert, auch in den 2000ern erscheint das Blatt nur in Schwarz-Weiß. Internet? Fehlanzeige. Wird schon alles gut gehen. Aber das Ding wird vor die Wand gefahren, als ein Verleger benannt wird, der vom Geschäft nicht die geringste Ahnung und darauf auch gar keine Lust hat.

Natürlich sind die Geschichten, die Tom Rachman da erzählt, in ihrer Masse, überhöht. Aber keineswegs weit hergeholt. Rachman zeigt eine Branche von Egoisten auf. Leute, die sich zu Tode schuften, die sich untereinander nicht die Butter auf dem Brot gönnen. Es geht um Missgunst, Nichtkönnen und um den fehlenden Weitblick.
Damit scheint er die Branche recht gut eingeschätzt zu haben. Denn diese Es-wird-schon-weitergehen-Mentalität herrscht in den meisten Verlagen. Es wird analysiert, aber es fehlen Ideen für die Zukunft. Es wird investiert, aber an den falschen Stellen.
Tom Rachmans Geschichte über „Die Unperfekten“ liest sich toll, auch wenn einem die Leute, die beschrieben werden, oft unangenehm sind. Sie sind unsympathisch, manchmal einfach nur dämlich, nur wenige wachsen einem irgendwie ans Herz. Aber alles zusammen ergibt das ein rundes Bild.

Tom Rachman: Die Unperfekten
dtv, 391 Seiten
8/10


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Kommentare

4 Antworten zu „Tom Rachman: Die Unperfekten“

  1. Marwin

    Ich fand das Buch großartig! 🙂 Ein toller, sehr stimmiger Roman, in dem es neben all der Kritik auch oft in kleinen Szenen menschelt – kleine Perle. Wobei ich von einigen Kapitel-Protas sehr sehr gerne mehr gelesen hätte …

  2. RT

    Ging mir ähnlich. Wobei ich nett fand, dass einige von ihnen ja immer mal wieder durch die Geschichte gegeistert sind.

  3. Marwin

    Das stimmt. Greift alles dann in einander über. Das gefiel mir auch. Bin gespannt, was Rachman nachlegt …

  4. RT

    Auf jeden Fall! Aber wird ja dann sicher ein anderes Thema werden.

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