Klinik (1): So ein Tag

Wenn man ins Krankenhaus muss, gerät der normale Alltag vollkommen aus den Fugen. Nichts zählt mehr. Plötzlich geht es nur noch um das Hier und Jetzt: Was ist los? Wie werde ich wieder gesund? Wie lange dauert das? Und wann beginnt eigentlich das „ARD Büfett“?

Die meisten Menschen gehen nicht freiwillig ins Krankenhaus. Gerade wenn es eher unerwartet passiert, dann stehen in den ersten Stunden sowieso die Untersuchungen und die aktuelle Krankheitssituation im Vordergrund. Da bleibt für andere Gedanken sowieso keine Zeit. Da lässt man sich nur von A nach B schieben, wartet die Untersuchung ab, hört, was die Ärzte so sagen, und dann schläft man wieder.
Man kommt nicht mal dazu, ein Buch zu lesen. Man hat einfach keine Lust, man liegt einfach nur da.

Irgendwann geht es aber nur noch darum, wieder gesund zu werden. Dann beginnt das Warten, und der Tag im Oranienburger Krankenhaus bekommt einen relativ festen Ablauf.
Irgendwann nach 7 Uhr: wecken. Das geht fix. Zum Wachwerden mit Wecker-noch-mal-ausschalten bleibt keine Zeit. Aufstehen, sofort. Die Betten werden gemacht.
Langsam wieder aufs Bett setzen.
Handy-Radio an, Kopfhörer auf. Radioeins. Musik. Nachrichten. Werbung.

Ein paar Minuten vergehen, dann wird Fieber gemessen und/oder Blut abgenommen oder was sonst noch so ansteht.
Weiter Radiohören. Und/oder Handyspiele.
Kurz vor 8 Uhr: Das Frühstück kommt, es wird auf einem Tablett aufs Zimmer gebracht.
Ich sitze am kleinen Tisch, die anderen beiden auf dem Bett.
Dann wieder ins Bett. Radiohören. Spiele spielen. Gucken, was die anderen so machen. Es kommt immer mal jemand rein. Die Putzfrau. Schwestern, die wieder Ampullen abholen, die Tabletts wieder rausbringen…
Manchmal kommt auch schon der erste Besuch.

Gegen 9.30 Uhr ist Visite. Die Ärztin und eine Schwester kommen rein. Sie haben die Unterlagen dabei sowie einen Computer mit aktuellen Infos. Sie erklären uns einzeln, was Sache ist und was nicht.
Dann ist erst mal Ruhe.
Radio an. Spiele spielen.
Und eigentlich könnte man mal den Fernseher einschalten. „Volle Kanne“ läuft doch schon. Man ist nicht mehr so anspruchsvoll, was das Fernsehen angeht. Hauptsache nicht diese blöden Dokusoaps. Der Fernsehfahrplan: „Volle Kanne“, „Brisant“, „ARD Büfett“, „Drehscheibe“, immer wieder Nachrichten, Merkels Handy und das „Mittagsmagazin“, eine Kochshow oder eine Doku, dann „Inka“, irgendein Wir-sind-gut-drauf-Magazin im NDR, wieder „Brisant“ und später die rbb-Regionalmagazine.

Dazwischen: Gegen 11.30 Uhr kommt das Mittagessen. Am frühen Nachmittag kommt eine Schwester, um zu checken, was wir denn morgen essen wollen. Zwischendurch geht’s zu den Untersuchungen oder es wird eine auf dem Zimmer erledigt. Es kommt noch mehr Besuch. Oder mal der behandelnde Arzt. Dann das Abendbrot. Und so weiter…

Man pendelt sich da erstaunlich schnell ein. Nach zwei Tagen hat man am Nachmittag mal Zeit und Lust, mal raus zu gehen. Schon weil man, die Fernsehödnis nicht mehr ertragen kann. Andererseits kann so ein geregelter Tagesablauf im Klinikalltag durchaus beruhigend sein.
Man fügt sich. Und man wird geerdet.
In diesen Tagen ist die Welt da draußen nicht mehr ganz so wichtig. Die eigene Gedankenwelt dreht sich kaum noch um Arbeit, nicht mehr um Zukunftsängste und -vorhaben, auch nicht um Sex. Die Gedanken kreisen nur noch um die aktuelle Situation. Man grübelt kaum noch. Wichtig ist nur noch die kleine Welt genau jetzt. Höchstens noch die Internet-Kommunikation auf dem Handy.
Das ist – auch wenn man ja an sich gern drauf verzichten will – eine interessante Erfahrung in so einem Krankenhaus.


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