Das Zuhause ist ihr Arbeitsplatz

Manuela Ulrich aus Hennigsdorf ist Pflegemutter und Erzieherin: Kimberley (6) und Marcel (7) gehören inzwischen schon zur Familie

HENNIGSDORF
Im Spielzimmer von Marcel und Kimberley spielt sich ein kleiner Schwertkampf ab. Marcel gewinnt und freut sich diebisch. Der Junge ist sieben, seine Schwester ein Jahr jünger. Sie leben in einer Pflegefamilie.
Familie Ulrich aus Hennigsdorf hat den Schritt, die Kinder aufzunehmen, gemeinsam beraten. „Das haben wir nie bereut“, sagt Mutter Manuela. Die 52-Jährige macht das allerdings nicht ehrenamtlich. Sie ist beim Kinder- und Jugendhilfeverband (KJHV) angestellt. Es ist ihr Job, Marcel und Kimberley bei sich zu Hause zu betreuen – rund um die Uhr. Dafür ist eine Ausbildung notwendig.

Manuela Ulrich war in der Wirtschaft tätig, wollte sich aber noch mal verändern. „Was Sinnvolles sollte es sein, und ich hatte schon immer ein Herz für Kinder.“ Es habe dann einfach gepasst, sagt sie. Die Hennigsdorferin begann eine berufsbegleitende dreijährige Ausbildung: Psychologie, Mathematik, Sport, Teddys basteln. „Es war hart, durchaus belastend, aber ich habe mich darauf eingelassen“, sagt sie. Am Ende bekam sie die Betriebserlaubnis vom KJHV. Seit sechs Jahren arbeitet Manuela Ulrich inzwischen als „innewohnende Erzieherin“. Ihr Arbeitsplatz sind ihre eigenen vier Wände. In Oberhavel gibt es derzeit zehn Familien, die über den KJHV zwischen einem und vier Kinder betreuen. „Manchmal dauert die Pflege nur ein Jahr, wenn die leibliche Mutter im Krankenhaus ist oder sich die Eltern in einer Krise befinden“, sagt Anke Horn, Projektleiterin beim KJHV in Hennigsdorf. Andere Kinder bleiben länger. Marcel und Kimberley werden so lange bei den Ulrichs leben, bis sie erwachsen sind. „Das lässt sich vorher nicht planen“, so Anke Horn weiter.

Bevor das Kind in die Familie kommt, überprüft der Verband auch die anderen Mitglieder. Ehemann Rainer brauchte ein erweitertes Führungszeugnis. „Beim Bewerbungsgespräch sollte die ganze Familie dabei sein“, sagt Anke Horn. Alle müssen das Vorhaben mittragen. „Die Kinder machen ja schließlich vor dem Partner nicht Halt.“ Im Fall von Marcel und Kimberley ist Rainer Ulrich nicht nur ehrenamtlicher Mitbetreuer, sondern auch der Vormund der Kinder.
Tochter Sabrina (28) ist ebenfalls ehrenamtlich dabei. „Wenn meine Mutter unterwegs ist, dann übernehme ich“, sagt sie. Für sie gehören die Kleinen ganz selbstverständlich zur Familie.

Die Betreuung der Kinder ist für Manuela Ulrich nicht nur eine Herzensangelegenheit. Sie verdient damit ihr Geld. Das ist der Unterschied zu Familien, in denen die Kinder adoptiert werden. Sie bekommt Bekleidungsgeld, Fahrtkostenpauschalen sowie Mittel für Lebensmittel und Schulsachen. „Das Geld kommt vom Jugendamt, wir geben das weiter“, sagt Anke Horn. „Man wird damit nicht reich, es deckt die Kosten, alles muss abgerechnet werden.“
Manuela Ulrich kann sich sogar Urlaub nehmen. „Das ist uns ganz wichtig“, sagt Anke Horn vom KJHV. In der Regel fällt der Urlaub in die Sommerferien, wenn die Kleinen sowieso alle gemeinsam für drei Wochen ins Ferienlager des Kinder- und Jugendhilfeverbandes fahren. Aber auch während der Schulzeit ist Urlaub für die Ulrichs möglich. „Klar, da ist das für die Kinder härter“, so die Pflegemutter, und Anke Horn ergänzt: „Aber es geht eben auch, wenn es den Familien wichtig ist. Das muss gehen.“ Die Kinder wechseln dann in eine andere Pflegefamilie.

Während Marcel und Kimberley in ihrem Zimmer krakeelen, sitzt Manuela Ulrich in der Küche und lächelt: „Das ist schon mehr als ein Job. Die beiden gehören jetzt einfach dazu, wir haben nun vier Kinder.“


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