Auf der Kutsche reisen wie 1830

Ein Ruck, und Theimen und Qanter laufen los, ziehen uns vom Hof des Alten Dorfkruges in Staffelde. Theimen und Qander sind Pferde, acht Jahre alt, sie ziehen die gelbe Postkutsche, die uns über Flatow, Kuhhorst nach Linum und wieder zurück bringen wird.
Es ist ein bisschen wie im Jahre 1830. Damals brachte Neuentwicklungen ein bisschen mehr Luxus: Aus unbefestigten Straßen wurden glatte Chausseen, die Postkutschen hatten erstmals Federn, die Menschen gelangten ein wenig schneller von A nach B.

Eine Fahrt mit der Hamburger Postkutsche ist die Wiederentdeckung der Langsamkeit. Der Weg von Staffelde nach Kuhhorst dauert nicht zehn Minuten, wie mit dem Auto. Eine gute Stunde muss der Mitfahrer in der Kutsche schon einplanen. Dafür hat er Zeit, sich die Felder und Wiesen im Luch anzusehen, neben dem Getrappel der Pferde die Stille und die Natur zu genießen.
Vom Alten Dorfkrug aus starten die Touren mit dem gelben Pferdewagen, ein neues touristisches Angebot in der Region. Das Gespann ist ein Nachbau einer Kutsche, wie sie ab 1830 unterwegs waren. Von auf dem Wagen sitzen der Kutscher und sein Beifahrer, hinter ihm ist Platz für zwei weitere Mitfahrer, auf dem hinteren Teil haben fünf Leute Platz, im Innenraum können sechs Leute mitfahren.

Wir rollen an den Spargelfeldern bei Flatow vorbei, immer wieder überholen uns andere Autos. Viele Leute winken, wenn sie überholen. Auch Menschen, die an der Straße sehen und die große Kutsche beobachten, winken. Ein echtes Phänomen, das wir auch von Schiffstouren kennen oder von Oldtimerrallyes. Besonderen Fahrzeugen winkt man, das scheint eine unausgesprochene Regel zu sein.
In Flatow halten wir die rot-weiße Kelle nach links, unseren Blinker. Die Kelle zeigt an, dass nun bitte niemand links überholt.
Theimen und Qanter müssen kräftig ziehen, als wir den Berg zur Brücke über die Autobahn hochrollen – Richtung Luch. Die Landesstraße 17, die Strecke zum Karolinenhof, ist inzwischen geflickt, jedenfalls die gröbsten Schlaglöcher. Für alle hat es leider nicht gereicht. An der Kreisgrenze zwischen Oberhavel und Ostprignitz-Ruppin ließ OPR ein Begrüßungsschild aufstellen. Das wäre nicht nötig gewesen, dass wir Oberhavel verlassen, merken wir daran, dass die Straßenqualität schlagartig besser wird.

Auf dem Ökohof in Kuhhorst sehen wir uns die Schweine- und Kuhställe an. Im Hofladen können wir von den selbsthergestellten Produkten kosten: Leberwurst, Käse und vieles mehr. Die Pferde können sich in der Zeit ausruhen.

Zwischen Kuhhorst und Linum müssen wir einen Moment anhalten. Das Luch bietet nicht nur Ruhe, sondern auch viele Fliegen, Mücken und Bremsen. Sie bevölkern vor allem Theimen und Qanter, die erst mal vom Schwarm befreit werden müssen.
Die Straßen im Luch sind schmal. Begegnet uns ein Auto müssen wir bis auf den Randstreifen fahren.
Die Sonne scheint, von oben haben wir einen herrlichen Blick auf die Felder. zwischendurch cremen wir uns ein – ein Sonnenbrand muss ja nicht sein. Wir werden trotzdem einen bekommen.

Wir erreichen Linum. Durch Linum führte einst die alte Poststraße zwischen Berlin und Hamburg, bevor es die Chaussee, die heutige B5, gab.
Die Pferde haben nun fast vier Stunden Zeit, sich auszurugen. Das ist auch nötig. „Sie sind an der Grenze“, sagt der Kutscher. Bei brüllender Hitze, wie vor einigen Tagen, hätten wir nicht fahren können. 15 Grad, die wären ideal.

Im „Kleinen Haus“ von Frank Buthmann gibt’s nicht nur was Leckeres zu Essen, sondern auch alte Bekannte. Wir treffen meinen Kollegen Dietmar Ringel, der mit seiner Ruppiner Genießertour ebenfalls unterwegs ist und in Linum einen Zwischenstopp einlegt.
Vom kleinen Linumer Hafen aus fahren wir mit einem solarbetriebenen Boot den Amtmannkanal bis zum Alten Rhin entlang. Im Teichgebiet herrscht die pure Natur. Wir fahren durch eine Schilfschneise, ab und zu sind die Teiche dahinter zu sehen, auch die Schwäne, die sich dort aufhalten.

Es ist inzwischen später Nachmittag, als wir wieder in Richtung Staffelde aufbrechen. Das Linumer Kopfsteinpflaster ist glatt, es macht den Pferden ein wenig zu schaffen. Etwas mehr als eine Stunde benötigen wir für die Heimfahrt. In Flatow treffen wir auf viele winkende Menschen.
Die Kutschreise im Jahr 2013 hat, vermutlich im Gegensatz zu 1830, viel Entspannendes. Es ist ein ganz kleines Stück Urlaub. Das war vor fast 185 Jahren sicherlich anders.


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