Marcus Werner: Mit einem Schlag – Wie ich dann doch noch zum Helden wurde

Es gibt Bücher, da weiß man schon nach drei Seiten: Das wird nix. Da gibt man dem Werk noch eine Gnadenfrist von ein paar Kapiteln, bevor man aussteigt. Und dann hat man doch Skrupel, einfach aufzuhören und liest widerwillig weiter. Wenn man Glück hat, dann passiert es doch: Das Buch wird interessant. Es passiert selten, aber es passiert. Wie im Roman von Marcus Werner.

Nico Laus (das ist schon mal ein, ähm, Brüller) ist gerade mal 18, als er von zu Hause abhaut und nach Köln zieht. Er hat keinen Plan, aber verdammt viel Glück. Einem unfassbaren Durchfall verdankt er es, dass er auf dem Zugklo ein Mädchen kennenlernt, das ihm ein WG-Zimmer anbietet und einen Job – als Kabelhilfe beim Fernsehen. An einem defekten Stromkabel holt er sich einen Schlag – und kann plötzlich Gedanken lesen.

Eigentlich ist der Roman eine Katastrophe. Das Cover ist grauenvoll peppig, es ist mies geschrieben, in einem ziemlich peinlichen Jugendsprech. Die Geschichte ist in der ersten Hälfte des Romans unfassbar langweilig, das Spannende passiert erst weit nach Seite 100.
Die Fernsehgeschichte ist eigentlich ganz interessant, auch, weil einige interessante Dinge über die Branche erzählt werden. Auch die Gedankenleserei ist ein nettes Gimmick. Kommt aber alles viel zu spät. Nur wer Geduld hat, sehr viel Geduld, wird überhaupt erst bis dahin, wo es spannend wird, vordringen.
Eigentlich müsste der Roman-Untertitel lauten: Wie die Story dann doch noch ganz annehmbar wird.

Marcus Werner: Mit einem Schlag – Wie ich dann doch noch zum Helden wurde
ro ro ro, 254 Seiten
4/10


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Kommentare

4 Antworten zu „Marcus Werner: Mit einem Schlag – Wie ich dann doch noch zum Helden wurde“

  1. ThomasS

    >Es gibt Bücher, da weiß man schon nach drei Seiten: Das wird nix. Da gibt man
    >dem Werk noch eine Gnadenfrist von ein paar Kapiteln, bevor man aussteigt. Und
    >dann hat man doch Skrupel, einfach aufzuhören und liest widerwillig weiter.

    Okay … wenn ich dich richtig verstanden habe, servierst du dieses Buch – das mir nicht bekannt ist – deiner Lesern nicht als Empfehlung, sondern eher als Herausforderung.

    Da gehe ich mit und erhöhe.

    Ich habe mir vor einiger Zeit in Ermangelung sonstigen Lesestoffs den „Nachsommer“ von Adalbert Stifter zur Brust genommen und bin immerhin bis hin zur Seite 527 von insgesamt 917 1/2 wacker vorgedrungen, bevor ich vorläufig die Fahnen gestreckt und den Roman mit einem Lesezeichen im Bauch beiseite gelegt habe. Das ist für mich immer so eine Alibi-Geste, dass ich den Kampf gegen das Buch noch nicht aufgegeben habe. Andere Autoren – auch das gebe ich offen zu – haben mich fast kampflos besiegt, darunter niemand Geringeres als Golo Mann („Geschichte und Geschichten“) und Ehm Welk („Die Lebensuhr des Gottlieb Grambauer“).

    Und wo ich grad in Geständnislaune bin: Bei Stifter habe ich etwas getan, was ich mir ansonsten verbiete, und sei der Krimi auch noch so spannend. Ich habe vorgeblättert, weil ich wissen wollte, ob meine Vermutung bezüglich der „Punchline“ zutrifft. Und siehe da: Es war natürlich genau so, wie ich gedacht hatte.

    Bei Wikipedia ist zu erfahren, dass Adalbert Stifter den Freitod gewählt hat, wenige Jahre, nachdem sein „Nachsommer“ publiziert worden war. Mit böser Zunge könnte man mutmaßen, der gute Mann habe sein eigenes Langeweilertum irgendwann nicht mehr ausgehalten. Das Argument, dass das nicht am Autor liegt, sondern an der Zeit, lasse ich nur bedingt. Was für Abgründe tun sich auf, wenn man sich auf Zeitgenossen Stifters wie Wilhelm Raabe, Otto Ludwig oder Gottfried Keller einlässt. Da geht es zwischen den Zeilen um Themen wie Inzest, Ehrenmord oder sexuell allgemein hoch her. Nicht so bei Stifter. Es sei denn, man will seinem kreuzbraven Entwicklungsroman soweit zu Leibe rücken, dass man am Ende irgendwas hinein liest, was gar nicht drin steht.

    Fazit: Wenn du bereit bist, dich auf den „Nachsommer“ einzulassen und dazu eine Rezension zu schreiben, dann lasse ich mich auch auf das von dir hier besprochene Buch ein und schreibe in meinem Channel, was ich davon halte.

    Für alle Außenstehenden unter den Lesern dieses Kommentars: Der saloppe Ton meines Angebots sei mir verziehen, da RT und ich uns schon etwas länger „kennen“ (zumindest virtuell) und zumal wir hier ja wohl (noch) mehr oder weniger „unter uns“ sind.

    P.S.
    1. Wer Tippfehler entdeckt, darf sie behalten.
    2. Wer Satzbaufehler entdeckt und behauptet, deswegen nicht verstehen zu können, was ich meine, bläst sich entweder künstlich auf oder ist in einem Literatur-Channel von vornherein fehl am Platze. Ich habe beim nachträglichen Durchklesen meines Kommentars einige entdeckt, werde aber den Deibel tun, sie im Nachhinein zu korrigieren.
    3. an RT: Was sagst du zu meinem Angebot oder meiner, wie es neudeutsch heißt, „Challenge“?

  2. RT

    Ich glaube kaum, dass man die beiden Bücher vergleichen kann. Die Herausforderung in meinem Fall war eher die Schlichtheit, der belanglose Tonfall.
    Zur Challenge: Meine Bücher-Warteschlange ist zu lang…

  3. RT

    Kann ich gut verstehen. Ich habe auch interessantere Lektüre in meiner Warteschlange als letzten 350 Seiten vom „Nachsommer“. Bzw., der rückt eh automatisch immer an die letzte Stelle.

  4. ThomasS

    Kann ich gut verstehen. Ich habe auch interessantere Lektüre in meiner Warteschlange als letzten 350 Seiten vom „Nachsommer“. Bzw., der rückt eh automatisch immer an die letzte Stelle. 😉

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