ZAPPER VOR ORT: Jango Edwards in Kremmen

MI 10.10.2012 | Kremmen, Tiefste Provinz

Bevor Jango Edwards mit seinem Programm loslegte, musste er mit dem Publikum in der ersten Reihe noch was klären: „Hier ist das Gesicht, hier der Schwanz.“ Nicht, dass da irgendwelche Missverständnisse entstehen. Er soll sehr lang sein, also der Schwanz von Jango. Er überlegt, ob er ihn zeigen soll.

So weit kommt es dann doch nicht im kleinen Theater „Tiefste Provinz“ in Kremmen. Der wohl berühmteste Clown der Welt war im Scheunenviertel zu Gast. Seit mehr als 40 Jahren steht der US-Amerikaner auf den Bühnen dieser Welt, reißt Zoten, zieht Grimassen, tanzt, raucht und macht anzügliche Gags und Gesten.
Gemeinsam mit seiner genialen Bühnenpartnerin Cristi Garbo zeigte er Höhepunkte aus den vergangenen 30 Jahren seines Schaffens.

Selbst Theaterleiter Andreas Dalibor wusste nicht genau, was auf ihn zukommen würde. Im Vertrag hieß es nur, dass danach die Bühne gesäubert werden müsse. Das ließ Schlimmes erahnen.
So steht der Clown einigermaßen betrunken auf der Bühne und verspritzt sein Bier. Das Publikum in Reihe 1 bekommt auch ein bisschen was davon ab. „Ich bin ein Arschloch“, sagt Edwards. „Aber ein professionelles.“
Zu Kremmen, oder wie Edwards sagt: „Kähmän“, fällt ihm nur Gutes ein: „I love this town… Or this village.“ Als er Frank Sinatras „My Way“ singen will, ertönt von hinten ein Schuss, und der Clown ist tot. Aber nur kurz.

Cristi Garbo erscheint als dralle Schöne im knappen Kleid auf der Bühne. „Guten Abend, mein kleines Hutschiputschi!“, ruft Edwards. Sie hat Plastikblumen geschenkt gebommen, die will sie aber nicht. Auch nicht die Diamanten. Die Pralinen, die haben es ihr angetan! Mit vollem Mund singt sie ein Liebeslied, das aus verständlichen Gründen niemand mehr so recht entziffern kann.

Die Kremmener finden’s gut, was sich da vorne abspielt. Außergewöhnlich, was mal anderes, interessantes. Aber gut. Ein besseres Lob kann der Clown gar nicht bekommen. In Cristi Garbo haben sich die Kremmener sowieso ganz schnell verliebt. Ihre Mimik, die Gestik, ihre knappen Kleider, der Obstkorb auf dem Kopf, die Art, wie sie die Männer im Saal anmachte – herrlich!
Als Michael Hunt verkleidet, verkündete Jango Edwards, ein Liebeslied singen zu wollen. Das werden die Kremmener wohl so schnell nicht vergessen. „Blow me“ hieß der Song, und damit die Gäste auch ja darüber im Bilde sind, was das auf Deutsch heißt, teilte es ihnen der Clown auch umgehend mit: „Blas mir einen!“ Und während Edwards das herzige Liebeslied sang, „Blas meinen Schwanz heute Abend!“, forderte er die Zuschauer auf, die Arme zu heben und mitzuwiegen. Natürlich machten alle mit.

Jango Edwards ist trotz seiner Provokationen, die in der „Provinz“ aber niemanden wirklich abschreckten, ein ganz typischer Clown. Er möchte seine Fans unterhalten, er möchte sie zum Lachen bringen. Dabei ist er nicht immer nur komisch, ein ordentlicher Schuss Melancholie (okay, in Jangos Fall auch Geilheit oder so) gehört mit dazu. Einen Rat hatte Edwards am Ende aber noch, und es war der rührenste Augenblick an diesem Mittwochabend: Jeden Morgen sollte jeder von uns eine Minute in den Spiegel schauen und lächeln. Eine Minute lang, und der Tag wird gut.


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