An dunkle Zeiten erinnert

Gedenkfeier am Kremmener Marktplatz, wo die Familie Borchardt einst ein Modegeschäft betrieb

MAZ Oranienburg, 11.9.2012

Die Nazis vertrieben und verschleppten die Borchardts im Zweiten Weltkrieg aus Kremmen. Heute erinnern Stolpersteine an sie.

KREMMEN
Als die Nazis die Macht in Kremmen übernahmen, wurde das Leben der Familie Borchardt zur Hölle. Einst waren sie angesehene Leute. Nun war der angeheftete Judenstern für sie zur Pflicht geworden. In der Reichskristallnacht am 9. November 1938 wurde das Modegeschäft am Marktplatz zerstört. „Borchardt raus!“, so schrien es die Nazis. Einige Mitglieder der Familie mussten ins Warschauer Ghetto und starben im KZ, andere flüchteten nach Palästina, ins heutige Israel.

Seit Ende April erinnern am Marktplatz bereits fünf Stolpersteine an die Familie Borchardt. Im kommenden Jahr sollen drei weitere hinzukommen, aber bereits gestern Vormittag wurde an Werner, Alfred und Erich Borchardt, deren Steine noch fehlen, erinnert. Zu der Gedenkfeier waren die in Israel lebende Hedva Gati, Tochter von Hans Borchardt, mit ihren Söhnen gekommen, außerdem ihr Cousin Pedro Matzke aus Frankreich, Sohn von Ruth Borchardt.

Alle schienen gerührt. „Ich fühle mich sehr verbunden“, sagte Hedva Gati gestern. „Kremmen ist eine schöne Stadt“, meinte Pedro Matzke. Obwohl sie, im Gegensatz zu ihren Eltern, nie in Kremmen gelebt haben, verbindet sie mit der kleinen Stadt recht viel. Das Elternhaus, in dem sich heute ein Sportfachgeschäft befindet, steht noch immer am Markt. Oft bekamen sie Bilder von Kremmen zugeschickt oder überreicht.

Organisiert hat das gestrige Treffen die Kremmenerin Karin Peters. „Ich finde es schlimm, dass so etwas wie der Holocaust vom deutschen Volk ausgehen konnte“, erzählte sie zu ihrem Beweggrund, die Feier zustande zu bekommen. Sie erinnert sich noch an die Kristallnacht, als die Scheiben bei Borchardts zu Bruch gingen und niemand den Mut hatte, sich dagegen zu stellen. „Ich frage mich immer: Hätte ich den Mut gehabt? Das ist eine ganz schwere Entscheidung“, sagte sie.
Unterstützt wurde sie von Pfarrer Thomas Triebler und vielen weiteren Helfern, die dafür sorgten, dass Unterlagen kopiert und die Reden ins Englische übersetzt werden konnten und dass Stühle zum Hinsetzen vorhanden waren.

„Familie Borchardt gehörte wie selbstverständlich zur Stadt“, sagte Thomas Triebler in seiner Rede. „100 Jahre gab es den Namen Borchardt als angesehene Kaufmannsfamilie. Irgendwann war plötzlich alles anders. Vom Balkon“, Triebler zeigte zum Rathaus, „beobachteten SA-Männer, wer hier einkaufen ging.“ Umso mehr freute Triebler sich, „dass die Angehörigen so kurz vor dem jüdischen Neujahrsfest hier sein können.“ Die drei Stolpersteine konnten gestern nur symbolisch verlegt werden. „Als Mahnung müssen wir uns erinnern“, so der Pfarrer weiter, „weil diese Geschichte immer wiederkommen kann.“ In dem Zusammenhang erinnerte er an den Rostocker Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim vor 20 Jahren.

Nach der besinnlichen Feier am Rande des Marktplatzes waren alle Beteiligten noch zum Frühstück ins Gemeindehaus geladen.


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