Günter Wallraff deckt auf! Der neueste Fall des Undercover-Spezialisten

MI 30.05.2012 | 21.15 Uhr | RTL

Hallo, RTL? Was ist mit euch los? Da sendet ihr eine Doku, da macht ihr Enthüllungsjournalismus, und dann hat das auch noch Niveau! Wo sind die dicken Frauen, die prollige Scheiße labern? Wo sind die tätowierten Mädels und Jungs, die ihr untertiteln müsst, weil wir doofen Zuseher sie sonst nicht verstehen, Altaaa? Wo sind die Paare, die sich anblöken?
Nichts. Gar nichts davon hatte RTL am Mittwochabend im Angebot.

Und stattdessen? Eine anspruchsvolle Doku zu einem politisch und wirtschaftlich brisanten Thema. Nicht die ehemalige Flatulenzen-Königin Vera Int-Veen machte ein betroffenes Enthüllungsgesicht, sondern Günter Wallraff. Der Unterschied: Wallraff meint es ernst.
Der Mann, der sich einst undercover in die BILD-Redaktion schlich, berichtete nun über die Paketzustellbranche. Bei der Firma GLS soll es den Fahrern finanziell nicht besonders gut gehen – und Wallraff hat sich das genauer angesehen.

Da reibt man sich echt die Augen: Zwischen all dem Dokumüll a la „Familien im Brennpunkt“ und „Einsatz in vier Wänden“ versteckt RTL eine echte Dokuperle. Dass das Thema nicht neu war (der NDR berichtete im vergangenen Jahr schon darüber anhand der Firma Hermes) und die Geheimniskrämerei im Vorfeld der Sendung albern wirkte, kann man da schon gern verzeihen.
Die nächste anspruchsvolle RTL-Doku folgt dann voraussichtlich 2015. Wenn der Sendeplatz nicht durch Tine Wittler, Vera Int-Veen oder Inka Bause belegt ist.


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Kommentare

6 Antworten zu „Günter Wallraff deckt auf! Der neueste Fall des Undercover-Spezialisten“

  1. ThomasS

    Das hat mich auch erstaunt.

    Wallraff ist m.E. kein Vorwurf daraus zu machen, dass er seinen Bericht auf RTL im Rahmen von stern-tv präsentiert. Ich gehe davon aus, dass sich kein öffentlich-rechtlicher Sender dafür interessiert hat. Aus demselben Grund hat Günter Wallraff ja sogar einst mit dem Fernsehen der DDR zusammen gearbeitet. Die entsprechende Sendung war vor einiger Zeit im Rahmen eines Wallraff-Themenabends im NDR zu sehen.

    Ich bin gespannt, ob sich auch Fernsehkritik.tv des Themas annehmen und vielleicht ein Haar in der Suppe finden wird, das wir im Moment mangels Recherche noch nicht sehen können. Auf den Sender ist der Seitenbetreiber ja nicht unbedingt gut zu sprechen, und auch gegenüber Herrn Wallraff ist man dort nicht unkritisch.

    (Letzteres könnte vielleicht ein reines Generationenproblem sein 🙂 )

  2. Knoxx91

    Soweit ich weiß hat sich Wallraff für RTL entschieden, um ein größeres Publikum zu haben, was an sich nicht verwerflich ist.
    Ich hab ihn leider verpasst, einen dieser seltenen Momente, in denen RTL mal nicht die Messlatte fürs Niveau noch weiter zu unterwandern versucht.

  3. RT

    Richtig, Wallraff selbst hat sich für RTL entschieden. Er meinte wohl, dass es dort das Publikum gäbe, an das sich speziell diese Enthüllung richte.

    @ThomasS: Doch, die ÖR werden sich schon dafür interessiert haben. Das Erste hat ja erst 2011 einen ähnlichen Fall in einer Doku gezeigt.

  4. ThomasS

    Damit hat er wohl auch nicht unrecht. Wobei ich mich durchaus gewundert habe, welche Wellen sogar die von dir erwähnte NDR-Reportage geschlagen hat, wo ja auch ein Journalist undercover in die Rolle eines Paketboten geschlüpft ist. Darum konnte der Hermes-Pressesprecher wohl auch schon Rede und Antwort stehen. Ich habe da damals zufällig reingezappt und war sehr interessiert, auch wenn ich nicht unbedingt zur Klientel zähle. (Zum Glück, muss ich da wohl sagen).

  5. RT

    Was meinst du mit Klientel?

  6. ThomasS

    (Schein)selbstständige Fuhrunternehmer, bzw. Fahrer, die dies werden wollen. Oder müssen.

    Das Problem kam ja in der NDR-Reportage auch zur Sprache.
    Niemand hat Bock, diesen Knochenjob als Fahrer von selbst zu kündigen (so gern man dies auch möchte), weil ansonsten eine Leistungssperre vom Arbeitsamt droht. Der Journalist ist den Königsweg gegangen, indem er so lange das (Un-)wort “Betriebsrat” ausgesprochen hat, bis ihm von betrieblicher Seite gekündigt wurde.

    Dieser Aspekt wurde bei RTL z.B. überhaupt nicht angesprochen.

    Wer diesen Bericht gesehen hat, sich aber jetzt noch mit den Versprechungen vom großen Gewinn ködern lässt, dem ist nimmer zu helfen.

    Ich hab mich ja auch mal als Postzusteller versucht und in diesem Rahmen meine Grenzen rechtzeitig kennen gelernt. Müsste ich unter den geschilderten Bedingungen für Hermes, GLS & Co arbeiten, müssten die Leute vermutlich am folgenden Tag lange nach Sonnenaufgang auf ihre Paketzustellung warten. Und mich würde man wahrscheinlich spätestens am 3. Arbeitstag apathisch irgendwo neben meinem Fahrzeug im Rinnstein sitzend vorfinden, wo ich am Daumen nuckele und ein Motiv aus der Zeichentrick-Serie “Heidi” am Summen wäre, bis die Rettungskräfte mich abholen kommen.

    Insofern möchte ich dem schon recht geben, was Wallraff in der Diskussion gesagt hat: Wer solche Arbeitsbedingungen über längere Zeit durchhält, der hätte auch das Zeug, bei der Olympiade mitzumachen. Allerdings nur, was die körperliche Leistungsfähigkeit betrifft, die in der Füphrungsetage von Unternehmen wie GLS oder Hermes gnadenlos verheizt wird.

    Aber jetzt ist ja eh alles anders, denn alle reißen sich ja jetzt darum, diesen Leuten zu helfen.

    Ich meine, stell dir das doch mal vor. Wer auch immer unter solch unmenschlichen Arbeitsbedingungen zu leiden hat oder dadurch bereits bis an die grenzen der Existenz finanziell ausgepresst wurde, lässt ab morgen die Arbeit liegen und zieht in Berlin vors Arbeitsministerium, um ein Mindestmaß an menschenwürdiger Behandlung zu fordern, die jedem Arbeitnehmer zusteht.

    Geiles Szenario, oder …?

    Ich könnte mir sogar denken, dass die meisten Paketempfänger dafür Verständnis hätten, wenn ihre Lieferung solange ausbleibt, bis die Sache geklärt ist. Jedenfalls eine Zeitlang. Schließlich haben wir bis auf weiteres nicht Weihnachten oder sonst irgendeine Stoßzeit.

    Meine Voraussage:

    NICHTS wird passieren! Erstmal deshalb, weil solch ein Streik ja erstmal genehmigt werden muss. Aber weil die Betroffenen ohnehin nicht gewerkschaftlich organisiert sind (da hat die Zentrale von DSL & Co klug vorgesorgt), sind weiterhin alle am Rumkrebsen … und zwar aus purer Existenzangst heraus. Somit ist es Essig mit “Wallraffs Traum”, weil die Lieferanten immer noch der Meinung sind, sie landen direkt im Höllenfeuer, wenn sie ihre Arbeit nicht machen. Dabei sind dem Höllenfeuer in ahrheit eigentlich bloß die lachenden Krawattenträger aus der Chefetage anheimgegeben. Aber das wissen die eh längst. Sollen die für ihr fürstliches Gehalt halt mal selbst ausfahren bis an die Grenze der Belastbarkeit, wenn sie denn den gewohnten Service aufrecht erhalten wollen. (Woran ihren ja wohl liegt. Das behaupten die jedenfalls immer vor der Kamera.) Wie wär’s …?

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