Der Aufseher im Knast mag Crème brûlée

Kersten Siebert ist Restaurantfachmann und arbeitet im Kremmener Theaterbistro

MAZ Oranienburg, 16.5.2012

Der 22-Jährige aus Hennigsdorf hatte Glück: Als er seine Lehre abschloss, hatte er den Job im Kremmener Scheunenviertel schon in der Tasche.

KREMMEN
Gegen 22.30 Uhr endet seine Schicht. Spätestens. Ansonsten schafft Kersten Siebert den Zug aus Kremmen nicht mehr. Seit August des vergangenen Jahres arbeitet der 22-jährige Hennigsdorfer im Knast. Damit ist jedoch kein Gefängnis gemeint, sondern das Theaterbistro im Kremmener Scheunenviertel.
Kersten ist der einzige Festangestellte in der kleinen Gaststätte, über ihm kommt nur noch sein Chef Andreas Dalibor. „Ich bringe mich ziemlich doll hier ein“, sagt der junge Mann. „Manchmal ist der Chef ein bisschen davon genervt.“ Doch der winkt ab: „Nein, nein, ab und zu lerne ich sogar von ihm dazu“, so Dalibor mit einem Lächeln.

Kerstens Arbeitstag beginnt in der Regel um 12 Uhr, da macht er sich zu Hause fertig. Zwei Stunden danach öffnet der „Knast“. „Ich baue dann draußen erst mal alles auf, wische die Tische ab und bereite alles Weitere vor“, erzählt er. Seine Lehre als Restaurantfachmann schloss er im vergangenen Jahr in einem Restaurant in Nauen ab. Sein Vorteil: Zu diesem Zeitpunkt war schon klar, dass er den Job in Kremmen bekommen würde.

Für seinen Chef Andreas Dalibor ist Kersten kein Unbekannter. Als Zwölfjähriger kam der Junge nach familiären Problemen in den „Q-Stall“ nach Beetz, Dalibors Jugendwohnprojekt. Bis zu seinem 18. Lebensjahr lebte Kersten dort. An der Kremmener Goethe-Oberschule machte er seinen Abschluss. Während einer Einstiegsqualifikation als Pferdewirt merkte Kersten, dass das nicht so sein Ding ist. Er schwenkte um zum Restaurantfachmann. Nach mehreren Stationen war er dann in Nauen erfolgreich. Als der „Knast“ im August 2011 erstmals öffnete, bedeutete das für ihn einen Neuanfang.

Besonders voll und viel zu tun ist an den Tagen, an denen nebenan im Theater „Tiefste Provinz“ ein Programm geboten wird. „Aber mit diesem Stress komme ich ganz gut klar“, erzählt Kersten. Was er nicht leiden kann, ist, wenn es nicht so klappt, wie er sich das vorstellt. „Da ärgere ich mich.“
Viel Zeit nebenher bleibt nicht. „Manchmal gehe ich am Wochenende nach der Spätschicht noch aus“, sagt er. Allerdings muss er am Sonntagmorgen wieder in Kremmen auf der Matte stehen, wenn um 10 Uhr der Brunch im „Knast“ beginnt. „Das klappt eigentlich, andererseits ist es in letzter Zeit immer seltener geworden.“
Wenn er anderswo in einer Kneipe ist, rollen seine Freunde schon mit den Augen. „Sie gehen nur sehr ungern mit mir essen“, erzählt der 22-Jährige. „Ich sehe dann immer, ob alles fachlich richtig läuft. Andererseits kann ich gut nachfühlen, wenn es für die Angestellten mal stressig ist.“
Er selbst hat übrigens eine Lieblingsspeise: Crème brûlée, das Dessert mit der Karamellkruste. „Die mache ich sehr gern.“


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