Das weiße Band

MO 03.10.2011 | 20.15 Uhr | Das Erste

Lange, ewig lange, quälende Kameraeinstellungen.
Ein Flur. Ein Junge kommt zur Tür heraus, läuft über den Flur ins andere Zimmer. Er kommt wieder raus, hält einen Knüppel in der Hand. Er verschwindet wieder aus Tür, auis der er kam. Dann: Stille. Und dann: Schreie. Der Junge wird von seinem Herrn Vater mit eben diesem Knüppel verprügelt.

„Das weiße Band“ ist wahrlich kein leichtes Fernsehvergnügen. Eines, das zwar zu ertragen ist. Für das man sich ziemlich konzentrieren muss. Und, ach ja: Es ist in Schwarzweiß.
Die ARD hat Michael Hanekes Film am Feiertag zur besten Sendezeit ausgestrahlt – nicht bei arte, nicht versteckt im Nachtprogramm, wie es die ARD sonst immer mit solchen Filmen praktiziert.

Der Film handelt von Schuld und Strafe, von Gefühlskälte und Heuchelei. Er spielt in einem kleinen Dorf. Er zeigt die schwierige Beziehung der Menschen untereinander.
Es ist nichts, was man mal so nebenbei schauen kann.

Weit mehr als vier Millionen Menschen haben sich „Das weiße Band“ dennoch angesehen. Das ist für einen solchen Film ein hervorragender Wert. Das sind viel mehr als sich die seichte Fernsehpreis-Show bei RTL angesehen haben. Das ist mehr als die ARD-Politmagazine erreichen.
4,25 Millionen Zuschauer. Der Mut der ARD hat sich ausgezahlt. Und die deutschen Zuschauer sind doch noch nicht so verblödet, wie man denkt.


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Kommentare

11 Antworten zu „Das weiße Band“

  1. blaurora

    ich habe den film auch gesehen und mich manchmal gefragt, warum der so toll sein soll. aber manchmal hatte ich auch so eine ahnung, dass er toll ist. mir taten sich nur zwei mängel auf. der dorfarzt sagt in der mitte des filmes zur hebamme, die gleichzeitig seine geliebte ist/war: „warum stirbst du nicht einfach?“ zuvor war da noch eine lange serie an verhönungen und erniedrigungen. danach kommt eine einstellung, wo eine fahrt zu einer beerdigung mitten im winter mit dem gespann folgte. das legte den gedanken nahe, die hebamme habe sich nach dieser kanonade des dorfarztes wirklich umgebracht.
    der zweite mangel wird zum ende deutlich. alles bleibt offen. sehr offen. und unheimlich, denn die zuletzt genannten verdächtigungen, die dorfkinder hätten mit allen geschehnissen zu tun, konnten von keiner erwachsenen figur nur ansatzweise ausgeräumt werden.
    ich deute dies als metaphorische vorausschau auf den 1.wk, doch gerade das macht diesen film grausam. kinder als täter?

  2. ThomasS

    Hm … ich weiß nicht, ob wirklich alles so offen blieb. Zumindest dass die Kinder Dreck am Stecken haben, Gab es da nicht eine Szene, wo der Pfarrer auf seinem Schreibtisch einen auf eine Schere aufgespießten Kanarienvogel vorfindet? Und bei dem behinderten Jungen wurde nach dessen Misshandlung ja auch eine Nachricht zurückgelassen, die irgendwie auf die Strafe Gottes hinwies.

    Ich denke, der Pastor wusste am Schluss genau, was für eine Brut er sich mit seinen Erziehungsmethoden herangezüchtet hat. Darum hat er auch gezögert, bevor er seiner Tochter das Abendmahl gereicht hat, und darum hat er auch den Lehrer nicht angezeigt.

    Wirklich rührend war eigentlich der Kleine, der ihm ein Geschenk gemacht hat „weil der Herr Vater so traurig ist“.

    Gut, warum der Arzt weg ist und wie die ganze Familie samt dem behinderten Karli verschwinden konnte, das blieb in der Tat offen. In so einem kleinen Dorf, wo eh immer irgendwer irgendwas mitkriegt (bin in einem aufgewachsen) erscheint mir das etwas unrealistisch.

    Trotzdem:
    Ein beeindruckender Film!

  3. RT

    Ja, sehr beeindruckend.
    Es blieb viel offen, aber das fand ich im positiven gruselig.

  4. ThomasS

    Haben sich wirklich 4 Millionen Zuschauer diesen Fim angeschaut und bis zum Ende durchgehalten? Chapeau! Auch für die ARD, dass man sich endlich mal wieder getraut hat, einen anspruchsvollen Film wie „Das weiße Band“ zur Hauptsendezeit auszustrahlen. „Schuld“ daran war sicherlich der Feiertag. Aber zumindest einschaltquotentechnisch hat es ja funktioniert … was die ARD gar nicht zu interessieren hat, denn schließlich leben die von unseren Gebühren. Dann sollen die dafür aber auch verstärkt solche Filme einkaufen und ihr Publikum nicht nur ausnahmsweise an Feiertagen verwöhnen.

    Das Fazit, das sich leicht aus dieser Quote ziehen lässt: Viele Zuschauer WOLLEN vielleicht gar nicht diesen selbstproduzierten Herzschmerz-Billigschrott, der alltags so gesendet wird, sondern schalten das bloß ein, weil das TV halt nix anderes mehr anbietet.

    Und hier sehe ich gerade einen öffentlich-rechtlichen Sender in der Pflicht, der sich eben nicht nur nicht nach dem Massengeschmack zu richten braucht, sondern das genau genommen gar nicht mal DARF.

    Wenn ein Zuschauer an einer hochkarätigen Produktion wie etwa „Das weiße Band“ kein Interesse hat … kein Problem. findet gewiss auf einem oder mehreren Privatsendern ein atraktiveres Programm vor.

  5. RT

    Es muss eben gute Ware sein. Es müssen Filme, die die Leute interessieren.
    Bei „Dreileben“ war es ja offenbar nicht so. Aber die Filme fand ich auch nicht doll.
    Ich finde übrigens schon, dass auch ARD/ZDF auch auf Quoten achten müssen. Warum sollten sie am gebührenzahler vorbeisenden? Wenn eine Serie keine/zu wenig Zuschauer hat, muss sie auf lange Sicht abgesetzt werden.

  6. ThomasS

    Im Prinzip hast du recht. Trotzdem bin ich der Meinung, die öffentlich-rechtlichen Sender solten es noch mehr als Chance begreifen, dass sie nicht ausschließlich auf Werbeeinnahmen angewiesen sind. Die Programmverantwortlichen sollten daher die Möglichkeit nutzen, auch mal etwas Anspruchsvolleres zu wagen. Dass das aufgehen kann, hat man ja hier gesehen. Es muss ja nicht gleich so abgehoben daherkommen, wie es z.B. häufig bei arte der Fall ist. Das ist mir auch schon wieder etwas too much. Produktionen wie „Das weiße Band“ bieten hier für meinen Geschmack genau die richtige Mischung.

    Stattdessen habe ich den Eindruck, dass bei den öffentlich-Rechtlichen so eine Art „vorauseilender Gehorsam“ herrscht. Man geht auf Nummer Sicher und produziert lieber gleich Seichtes, wo sie ihre paar Millionen Stammzuschauer sicher haben.

    Wie waren denn bei „Dreileben“ die Einschaltquoten, bzw. die Zuschauerzahlen? Anscheinend nicht so toll. Woran das liegt, dass das eine Erfolg hat, während das andere scheitert … schwer zu sagen. Vielleicht an der banalen Tatsache, dass „Dreileben“ an einem Werktag ausgestrahlt wurde, wo sich viele Zuschauer nach der Arbeit einfach nur berieseln lassen möchten, ohne groß nachzudenken.

  7. RT

    Wenn sie die Chance nicht begreifen würden, dann gäbe es keine Dokus mehr. Die bringen meist schlechte Quoten.
    Wieso findest du arte abgehoben? Das war vielleicht mal, ist aber schon lange nicht mehr so. Die bringen viele gute Dokus und Filme.
    „Dreileben“ begann zur Primetime mit weniger als 3 Mio. Zuschauer, danach sank die Quote weiter. Es ist Irrsinn gewesen, das alles an einem Abend zu zeigen. Auch machen die Interviews im Vorfeld keine Lust auf die Filme. Die 3 Regisseure laberten über das miese TV-Programm und wie schlimm das doch alles ist. Allen voran Dominik Graf, dessen Filme ich meist aber ziemlich öde finde.

  8. ThomasS

    Dominik Graf hat m.W. den zweiten Teil zur „Dreileben“-Trilogie beigesteuert („Komm mir nicht nach“, wo es im Wesentlichen um die Geschichte dieser allein erziehenden Kriminalpsychologin geht, die mit ihrem Team nach Dreileben beordert wird, um den Flüchtigen zu fangen). Der passte nach meinem Eindruck im Ganzen eh nicht ins Bild. Mein Verdacht: Da wollte irgendjemand durchaus eine Trilogie haben. Und irgendwer wollte dabei wohl unbedingt auch Herrn Graf mit im Boot wissen. Am Ende war das Ganze nicht stimmig … und was nicht gepasst hat, das wurde eben irgendwie passend gemacht. Also, ich kann jeden Zuschauer verstehen, der sich dabei leicht verscheißert vorkam.

    Teil 1 und 3 hätte ich mir noch gefallen lassen.
    Das wäre dann halt keine Trilogie gewesen, sondern eine Duologie oder so.

    Vielleicht haben etliche Werktätige die Trilogie ja sogar aufgezeichnet, um sich das dann irgendwann am Wochenende in aller Ruhe anschauen zu können. Oder sie haben nachträglich im Internet die Mediathek des betreffenden Senders aufgesucht und es sich dort angeschaut. Beides wird meines Wissens von der Gesellschaft für Konsumforschung, die für die Ermittlung der Einschaltquoten zuständig ist, nicht registriert.

  9. RT

    Na ja, so viele werden das aber nicht sein, da kommt keine weitere Million zusammen, denke ich mal.
    Ich habe Teil 1 auf der Festplatte gesehen, fand ich ganz okay. Mit Grafs Film konnte ich nix anfangen. Den 3. hatte ich nicht aufgenommen.

  10. blaurora

    @ThomasS:

    der tote vogel des pastors war genau das werk seiner tochter.

    aber das heißt nicht, dass alle kinder des dorfes auf dem gleichen level agieren.

    ich habe das zögern des pastors so gedeutet, dass er abschätzen wollte, in wieweit seine macht noch über ein kind und als besonderes über seine tochter greifen kann und habe es mit dem reichen des oblaten als öffentliche kapitulation (natürlich mit zögern) begriffen.

    ja, ich fand den film auch beeindruckend. und immer wenn ich mich fragte, warum ich nicht zappe, kam eine stelle, wo ich bereit war zu sagen: darum 🙂

  11. ThomasS

    Dass einige von den anderen Kindern beteiligt waren, darauf habe ich aber auch Hinweise gesehen. So z.B., dass sie zurz vor und kurz nach den jeweiligen Taten zusammen gesehen wurden, während sie sich wohl normalerweise nach der Schule in alle Winde zerstreut haben.

    Zumindest den Söhnen des Verwalters würde ich zutrauen, dass sie einiges an Frust zu kompensieren hatten, so wie die von ihrem Vater verdroschen wurden. Und die netteren Kinder (wie die Tochter des Arztes und ihr Bruder) haben sich wohl auch nicht beteiligt. Allerdings hatte ihr Vater da auch noch nicht „Hand angelegt“.

    Eine mögliche Lesart des Films wäre z.B. auch, dass er erklären will, aus welchem Milieu die Leute kamen, die 20 Jahre später den Nationalsozialisten zur Macht verholfen und deren Terror aktiv unterstützt haben.

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