ZAPPER VOR ORT: Hart aber fair

MI 30.06.2010 | Berlin, Fernsehwerft-Studios

Wir warten. Tom Buhrow wird einfach mit seinen „Tagesthemen“ nicht fertig. Es ist Mittwoch, der Abend der Bundespräsidentenwahl, kurz nach zehn, und eigentlich sollte „Hart aber fair“ schon längst auf Sendung sein. Das Thema ist klar, worüber sollte sonst geredet werden, wenn nicht über die Wulff-Wahl? Extra dafür kehrten Frank Plasberg und sein Team aus der Sommerpause zurück. Wir alle, Publikum, Team und Politgäste, sehen auf die großen Monitore im Studio der Fernsehwerft GmbH am Osthafen in Berlin-Friedrichshain. Gerade spricht Joachim Gauck seine Dankesworte. Er hat es nicht geschafft, Christian Wulff hat das Rennen gemacht.

Die Entscheidung darüber verfolgte das Studiopublikum eine gute Stunde davor noch im großen Foyer. Es ist heiß draußen, aber drinnen gibt es kostenloses Wasser. Und Kaffee, für die, denen es nicht warm genug ist. Aber nicht nur die Getränke sind gratis, auch Plasberg kostet nichts. Mail an den WDR genügt.
Als Norbert Lammert im Fernsehen die Entscheidung verkündet, hört das Gemurmel und Geschlürfe für einen Moment auf.

Die „Tagesthemen“ wollen und wollen nicht enden. Jetzt kommt auch noch Susanne Daubner mit dem Nachrichtenblock dran. Das scheint nicht ganz so abgesprochen worden zu sein, Plasberg wird langsam ungeduldig. Auf seinem Pult steht eine Cola light. Zusätzlich bestellt er sich ein Glas Wasser und einen Espresso. Der Tag war lang und ist noch nicht vorbei.
Der Plasberg ist ein netter, plaudert ein bisschen mit uns. Wir sollen uns umsehen, ob wir wirklich wollen, dass wir mit unserem Sitznachbarn im Fernsehen auftauchen. Wir lachen. Und wir wollen.
Vor uns steht die Kamera, in die Plasberg seine Begrüßung sprechen wird. Seinen Text können wir schon auf dem Teleprompter lesen: „Für Joachim Gauck und seine Anhänger war es dann doch nur ein Sommermärchen. Im dritten Wahlgang ist Christian Wulff zum neuen Bundespräsidenten…“
Wenn es losgeht, würde er sich über einen höflichen Applaus freuen, sagt der Moderator.

Nach und nach treffen die Gäste ein, vom Reichstag, wo sie den ganzen Tag vor sich hin wählten, zum Osthafen fahren sie 10 bis 15 Minuten. Klaus Ernst (Die Linke) kommt als Erster. Ex-Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) setzt sich an den Gästetisch. Sie sieht ein bisschen müde aus. Oder gelangweilt? Nein, sicher müde. Hans-Ulrich Jörges vom „stern“ ist gern gesehener gast bei „Hart aber fair“. Lachend erzählt er von den NPD-Vertretern, die Joachim Gauck gewählt hätten, wenn auch die Linke mitgemacht hätte. In der Sendung wird er später dieselbe Anekdote erzählen. FDP-Politikerin Katrin Göring-Eckardt sitzt etwas verkrampft da. Plasberg habe sie schon den ganzen Tag bewundert, sagt er, und sich gefragt, was sie denn unter ihrem Kleid trage.
So isser, der Herr Plasberg.

22.20 Uhr. Frank Plasberg steht vor der Kamera. Und immer noch warten wir. Jetzt auch noch das Wetter. Die ARD scheint umgeplant zu haben. Dass auch noch das Wetter kommt, davon war offenbar nie die Rede.
Aber dann: Plasberg lächelt und sagt: „Für Joachim Gauck und seine Anhänger war es dann doch nur ein Sommermärchen.“ Na ja, der Rest ist bekannt. Wir lesen mit. Plasberg liest fehlerfrei.

Die Show beginnt, wir applaudieren höflich, wie es von uns gewünscht wird. Im weiteren Verlauf klatschen wir, wenn wir es für richtig halten. Da klatscht uns niemand rein oder vor.
Jörges brilliert, Der Linke Ernst ist eingeschnappt, weil ihn vor vier Wochen keiner gefragt hat, wen er denn gerade als Präsidenten haben wollen würde. Heide Simonis stützt ihren Kopf auf ihre Hand, Göring-Eckardt scheint sich am Tisch festzuhalten, Hermann-Otto Solms (FDP) lässt sein Mikro krachen, und Plasberg ist eine Stunde lang der Herr im Ring.

Nach 60 Minuten ist alles vorbei, Plasberg wünscht uns einen schönen Sommer, und wir verlassen das klimatisierte Studio und laufen raus in die laue Berliner Sommernacht.


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