Boxhagener Platz

Oma ist die Beste! Oma macht immer leckeres Essen, und irgendwie ist mit Oma alles anders als bei Mutti und Vati.
Wenn ich mir das Wohnzimmer von Oma Otti ansehe, dann erinnere ich mich an auch meine Oma und an meine Großtante. Diese alten Stühle. Der hohe Tisch. Der Kachelofen. Die Hausmannskost.

1968 in Ost-Berlin. Holger (Samuel Schneider) ist 12, und ist oft bei seiner Oma Otti (Gudrun Ritter). Seine Eltern (Jürgen Vogel und Meret Becker) streiten sich nämlich oft, und dass sein Vater Abschnittsbevollmächtigter in ihrem Berliner Wohnviertel ist, macht es für Holger auch nicht gerade einfach.
Gemeinsam mit Oma geht er auf den Friedhof. Sie sprechen über dies und das. Und über Omas Männer. Gerade flirtet sie wieder. Mit Karl Wegner (Michael Gwisdek). Ottis Mann liegt im Bett, und als er stirbt, übernimmt Karl seinen Platz.
Aber es ist in Ordnung so. Alles scheint in Ordnung. Wenn da nur nicht die Sache mit Fisch-Winkler (Horst Krause) passiert wäre. Der Händler von gegenüber ist mit einer Flasche erschlagen worden. Polizei uund Stasi ermitteln, und das sorgt am Boxhagener Platz für ordentlich Wirbel.

Nicht nur Oma Otti ist die Größe, auch Gudrun Ritter, die die fast 80-Jährige darstellt. Es ist wunderbar, der Charakterdarstellerin zuzusehen. Sie quatscht frei Schnauze, wie ihr der Berliner Schnabel gewachsen zu sein scheint. Liebevoll und doch augenzwinkernd, frech und auf ihre alten Tage noch romantisch, ja, fast vielleicht sogar noch ein bisschen lüstern.
Matti Geschonneck bringt mit „Boxhagener Platz“ den gleichnamigen Roman von Torsten Schulz auf die Leinwand. Und es ist ein ganz wunderbares, irgendwie fesselndes, amüsierendes, hier und da spannendes Stück Film draus geworden.
Ostig, ohne ostalgisch zu sein. Rückblickend, ohne mit dem Finger drauf zu zeigen. Liebevoll, ohne zu beschönigen.
Neben Gudrun Ritter überzeugen auch alle anderen Schauspieler, bis in die kleinen Nebenrollen. Jürgen Vogel, Meret Becker, Samuel Schneider, Michael Gwisdek, Mathias Matschke als Stasimann.

Einziges, aber nicht ganz unwichtiges Manko: Der Film heißt „Boxhagener Platz“, spielt aber irgendwo. Der Name des Ortes fällt nie, ein Platz ist auch nicht zu sehen, der Boxhagener schon gar nicht. Gedreht wurde stattdessen in der schon aus vielen Filmen bekannten Kulisse in Potsdam-Babelsberg. Das fällt durchaus auf, die Häuser und Straßen wurden zwar verändert, haben aber dennoch einen hohen Wiedererkennungswert („Sonnenallee“, „Herr Lehmann“, „Rosenstraße“ u.a.). Vielleicht ist es aber auch so gewollt, dass der Film irgendwo spielen könnte.
Und, ach ja, der Fernsehturm in Ost-Berlin: 1968 war der noch nicht fertig, wird jedoch trotzdem im Film prominent ins Bild gerückt.
Egal, „Boxhagener Platz“ ist dennoch ein toller Film.

9/10


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