Pädophil ist der Mann schon vor dem Zölibat

Interview: Der Kriminologe Christian Pfeiffer über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche

MAZ, 26.2.2010

Christian Pfeiffer ist Direktor des Kriminologischen Forschungsinstitutes in Hannover. RT sprach mit ihm über die aktuellen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche.

Ist die Zahl der Missbrauchsfälle steigend?
Christian Pfeiffer: Da müssen wir unterscheiden: Die Entwicklung der polizeilich registrierten Fälle ist rückläufig, aber die Zahl der Täter steigt, weil die Aufklärungsquote sich in den vergangenen 20 Jahren deutlich verbessert hat. Früher konnten 60 Prozent der Fälle aufgeklärt werden, jetzt sind es zwischen 80 und 90 Prozent.

Wie kommt das?
Pfeiffer: Einerseits ist die Polizei kompetenter als noch vor Jahrzehnten. Andererseits ist die Bereitschaft der Opfer gewachsen, die Täter anzuzeigen. Das Risiko für den Täter hat sich somit deutlich erhöht, erwischt zu werden.

Sind denn alle gesellschaftlichen Bereiche betroffen?
Pfeiffer: Besonders gefährdet sind Kinder, die zu Hause nicht satt werden an Liebe und Geborgenheit, die zu kurz kommen. Auf der Suche nach Aufmerksamkeit und Zuwendung geraten sie dann manchmal an den Falschen.

Hat die katholische Kirche derzeit ein besonderes Problem?
Pfeiffer: Ein pädophiler Mann ist das meist schon mit 18, 19 oder 20 Jahren. Schon dann merkt er, dass er kein gesteigertes Interesse an Frauen oder Männern hat. Sondern sein Herz schlägt bei Kindern höher. Die Quelle hierfür liegt meist in der eigenen Kindheit. Es ist also falsch zu behaupten, dass das Zölibat schuld ist am sexuellen Missbrauch. Die Ausprägung als Pädophiler haben solche Priester meist schon lange vor dem Zölibat.

Wie kommt es dann zu den gehäuften Fällen in katholischen Internaten?
Pfeiffer: Katholische Internate haben kein weibliches Erziehungspersonal. Männer mit pädophiler Neigung wählen zudem besonders oft Berufe, bei denen sie mit Kindern in Berührung kommen. Zudem leben in Internaten besonders häufig solche Kinder, die aus den oben beschriebenen Problemfamilien kommen. Deshalb gilt das erhöhte Risiko aber auch für jede andere Internatseinrichtung.

Das Zölibat und der Missbrauch von Kindern stehen also in keinem Zusammenhang?
Pfeiffer: Ich finde es falsch, die Priester und die katholische Kirche generell wegen ihres Keuschheitgelöbnises unter Verdacht zu stellen. Missbrauch geschieht ständig. Da können Sportlehrer, Nachbarn oder der liebe Onkel genauso eine Gefahr darstellen. Die katholische Kirche hatte in der Vergangenheit allerdings das Problem, dass sie solche Fälle unter den Teppich gekehrt hat.

Sehen Sie eine Besserung der Situation?
Pfeiffer: Die Einsicht ist deutlich zum Ausdruck gekommen. Ich denke, die katholische Kirche wird in Zukunft diese Dinge sehr viel energischer und offensiver angehen.


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