Kanzler-U-Bahn ohne Kanzler(in)

Zwei Wochen nach der Eröffnung folgte meine persönliche Premiere: meine Fahrt mit der neuen U55 in Berlin.
Okay, die Premiere dauert nur drei Minuten. So lange fährt man mit der U-Bahn vom Berliner Hauptbahnhof über die Station Bundestag zum Brandenburger Tor. Alle zehn Minuten pendelt der Zug zwischen den drei Bahnhöfen.

Im Jahr 2006, zur Fußball-WM in Deutschland, sollte die U55 eigentlich schon in Betrieb gehen, zeitgleich mit dem Hauptbahnhof und dem Tiergartentunnel, der zu diesem Zeitpunkt schon fertig war. Neben der Röhre für die Autos führt auch eine für den Fern- und Regionalverkehr durch sowie eine für die U-Bahn. Probleme gab es dafür am Brandenburger Tor, wo Wasser in den tiefen Graben lief.
Erst jetzt, 2009, also konnte die U55 eröffnet werden. Die trägt den Namen Kanzler-U-Bahn, weil Kanzler Helmut Kohl das Projekt angeschoben hat. Kanzlerin Merkel ist heute selten bis nie in der U55 anzutreffen.
Ein weiterer Spitzname ist die „Stummelbahn“. Es sieht tatsächlich niedlich aus, wenn an den Fahrplänen tatsächlich nur diese drei Stationen eingezeichnet sind.

Kurz, aber spannend: Schon allein weil die drei Bahnhöfe sehr schön gestaltet sind. Am Hauptbahnhof hängen Schautafeln mit alten Berliner Bahnhöfen. Der U-Bahnhof Bundestag beeindruckt durch seine Großzügigkeit. Am Brandenburger Tor kann man die Geschichte der Berliner Mitte nachlesen. Das Tor vom Bau über die Nazizeit, Mauerbau und -fall.
Auffällig ist auch, dass die Waggons der U55 (noch?) komplett werbe- und kratzerfrei sowie ohne Graffiti-Verzierungen herumfahren. So sauber sieht man Berlins U-Bahn wohl nur dort.

Ich gehöre übrigens auch nicht zu den Leuten, die die U55 für überflüssig halten. Reisende aus dem Süden Berlins, die mit der S1 oder S2 unterwegs sind und zum Hauptbahnhof wollen, müssen nun nicht mehr über Friedrichstraße, sondern können schon am Brandenburger Tor umsteigen und dann quer unter das Regierungsviertel durchrauschen. Minuspunkt: Wenn ich das richtig gesehen habe, gibt es keinen direkten Zugang von der U- zur S-Bahn. Vielleicht habe ich den aber auch nicht übersehen.
Auch mit dem RE5 von Oranienburg kommend gibt es am Hauptbahnhof nun noch schneller die Möglichkeit zum Brandenburger Tor zu kommen – wenn man nicht durch durchs Regierungsviertel laufen will.
Dann ist die U55 natürlich eine gute Tourilinie.
Außerdem, aber bis dahin dauert es noch bis zu 10 Jahre: Irgendwann wird die U55 zur U5, wenn der Abschnitt zwischen Alexanderplatz und Brandenburger Tor fertig wird. Und ich finde, dass an der Stelle, im Bereich Unter den Linden so eine Bahnverbindung fehlt.
Ich bin gespannt.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

2 Antworten zu „Kanzler-U-Bahn ohne Kanzler(in)“

  1. Im Moment ist sie aber unnütz. Keiner sollte auf die Idee kommen, S-Unter den Linden auszusteigen und einmal über den Pariser Platz in den U-Brandenburger Tor einzusteigen, wenn er zum HBF will. Friedrichstraße ist da schon noch clever(er). Zum Zweiten, was die Ubahn in 3 Min. fährt, läuft der Normalo in 10-12 Min. Der richtige Berliner fährt ohnehin Auto, Metrobus oder Fahrrad (kommt dazu nicht vom Brandenburger Tor) und der Touri guckst sich eben doch lieber das Regierungsviertel an, als unten durch zu sausen. Ergo ist die U55 im Moment eine Attraktion, mehr nicht. Dafür eine sehr teure, aufgrund der kurz angedeuteten Schwierigkeiten beim Bau. Der klamme Senat wollte das Projekt schonmal absagen, da gab’s aber ein Machtwort vom Bund. Schauen und hoffen wir mal, dass mit dem U5-Zusammenschluss (irgendwann einmal) ein verkehrspolitischer Sinn zu den Hundertmillionen tritt…

  2. RT

    Ja, dass es offenbar tatsächlich keinen Tunnelzugang zwischen U- und S-Bahn am Brandenburger Tor gibt, finde ich verwunderlich. Wenn es den geben würde, würde das oben beschriebene Szenario besser funktionieren.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert