Ungarn (1): Im Sommer vor 20 Jahren

Es wurde mal wieder Zeit für eine Kurzreise, und diesmal war Ungarn das Ziel. Natürlich ist das hier keine Vergnügungsreise. Für drei Tage sind wir in Budapest und am Balaton, um herauszufinden, wo im Jahr 1989, also vor genau 20 Jahren, die damaligen DDR-Flüchtlinge auf ihre Ausreise gewartet haben, und was damals in der Zeit hier passiert ist.

Abreise in Berlin-Tegel mit einem Bilderbuchstart. Da wir über den Osten aus der Hauptstadt gen Budapest flogen, konnten wir noch einen grandiosen Blick auf die Stadt genießen – bei strahlendem Sonnenschein.
Vorher hatten wir allerdings noch eine längere Busreise hinter uns zu bringen. Vom Terminal zum Flugzeug. Und am Angang, als wir im Bus standen, fanden wir es noch lustig, dass in Sichtweite, nur einmal um die Ecke, ein Flugzeug unserer Airline stand. Doch nach etwa einminütiger Fahrt stellte sich heraus: Es war unsere Maschine. Laufen wäre schneller gewesen. Aber wir hätten ja von einem Flugzeug überrollt werden können…

Unser Hotel ist kein Hotel, sondern ein Resort. Und es ist großartig. Das muss man ganz klar sagen. Ein modernes Zimmer mit Blick auf eine Poollandschaft, ein geräumiges Badezimmer, außerdem einen Wellnessbereich, eine Badelandschaft, ein Fitnesscenter, Friseur, Zahnarzt, pipapo…
Aber leider auch mehrere Schönheitsfehler: Es liegt gerade noch so in Budapest, am nördlichsten Standrand – aber eigentlich schon weit außerhalb. Da stellt sich natürlich die Frage: Welcher Budapest-Reisender wird in einem Resort wohnen wollen, dass etwa 20 Kilometer außerhalb der eigentlichen Stadt liegt? Er wird lieber mittendrin wohnen wollen, an der Donau, um abends noch in der Stadt zu schlendern. Von hier raus kann nicht geschlendert werden. Einen Bus oder die Bahn gibt es nicht, ein Taxi oder Mietwagen kostet Geld – und wird auch nicht vom Hotel gezahlt. Selbst dann nicht, wenn man vom Flughafen hierher kommt. Das schreckt ab. Außerdem ist der kasten im Nirgendwo so gewaltig, dass die Kosten immens sein müssen. Ich bin mir nicht sicher, ob das funktioniert…

Beim Anflug auf Budapest war ich erstmal bestürzt: Von oben sieht die Donau aus wie eine braune Plörre. In Budapest selbst sieht es nicht so dramatisch aus, vielleicht wird der Fluss aber auch erst außerhalb der Stadt braun.
Ansonsten erinnert mich Budapest an einigen Stellen an Wien. Die ungarische Hauptstadt hat einige wirklich schöne Plätze zu bieten. Alte, architektonisch sehenswerte Gebäude.
Ein Hauch von DDR weht immer dann an einem vorbei, wenn mal wieder einer der alten Ikarus-Busse die Straße entlang tuckert.

Dann waren wir in Zugliget, einer Pfarrei am Rande von Budapest. Von August bis November 1989 lebten im kleinen Garten hunderte DDR-Flüchtlinge, die in den Westen wollten. Im Laufe der Zeit waren es 48000. Die Ungarn sorgten für Essen und Trinken und vor allem dafür, dass die Ausreise möglich wurde. Heute ist in der Nähe der Kirche im Malteserhaus das „Museum der Aufnahme“ mit interessanten Zeitdokumenten aus der damaligen Zeit.
Danach trafen wir auf eine heute 76-Jährige, die 1989 auf dem Gelände half, dass das alles funktionierte. „Jeden Tag kamen mehr und mehr und mehr“, erzählte sie. Viele der DDR-Bürger seien nach dem Urlaub am Balaton nach Budapest gekommen, weil sie beschlossen, rüberzumachen. „Sie hatten oft nicht mal Jacken dabei.“ Die Frau half bei der Organisation der Flucht, gab Tipps. Am 11. September 1989 wurde die Grenze zwischen Ungarn und Österreich geöffnet, doch bis November noch kamen DDR-Bürger in den Pfarrgarten nach Budapest.

Beim Spaziergang durch eine Einkaufspassage dann eine Überraschung: Vor uns steht die Schauspielerin Ulrike Folkerts („Tatort“) – sinnierend auf der Straße stehend. Dann lief sie weiter.
Später sahen wir dann noch das Filmteam, das sich die gerade gedrehte Szene ansah. Wenig später musste Frau Folkerts nochmal sinnierend durch Budapest laufen. Vielleicht hätte ich mal durchs Bild laufen sollen…

Morgen geht es weiter an den Balaton – zu einem früher bei den DDR-Bürgern beliebten Campingplatz, auf einen Golfplatz (den es vermutlich 1989 noch nicht gab) und auf ein Discoschiff, das bei Ostdeutschen sehr beliebt sein soll.
Jó éjszakát – gute Nacht!


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