Bahnfans mit leuchtenden Augen

Wirtschaft: Zehntausende Brandenburger nutzten den „Tag des offenen Unternehmens“ für Firmenbesuche

MAZ, 18.5.2009

Trotz oft schlechten Wetters strömten die Brandenburger in die Betriebe. Etwa 500 Firmen beteiligten sich.

POTSDAM
Eisenbahnexperten unter sich. Ein Dialog zwischen einem Vater und seinem etwa zehnjährigen Sohn, aufgeschnappt in einem ausgestellten Eisenbahnwaggon: „Papa, ist das hier ein 422?“ „Nein, das ist ein 442.“ Der Sohn schüttelt skeptisch den Kopf: „Aber der 442er, mit dem ich gefahren bin, hatte keine Toilette.“
Solche Gespräche waren am Sonnabend auf dem Gelände des Schienenfahrzeugherstellers Bombardier-Transportation in Hennigsdorf (Oberhavel) häufig zu hören. Mit leuchtenden Augen schlenderten vor allem große und kleine Männer an den Werkshallen, den alten Lokomotiven und den modernen Eisenbahnwaggons vorbei. Das Unternehmen war eines von landesweit fast 500, die am Sonnabend zum „Tag der offenen Unternehmen“ einluden: von der „A bis Z Oberflächenveredelung“ in Zehdenick (Oberhavel) bis zu „Zweirad-Hübner“ in Cottbus .
Regen, Wind und nasskaltes Wetter können die Brandenburger an diesem Sonnabendvormittag nicht schrecken. Trotz dunkler Wolken pilgern sie zu Zehntausenden zu den vielen Firmen, die sich präsentieren. „An diesem Tag geht es auch um die Zukunft nach der Krise“, gibt Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) am Morgen beim Besuch der Elektro-Firma Gottschalk in Prenzlau (Uckermark) gewissermaßen das Motto vor.

Von einer Krise ist auf dem Bombardier-Gelände in Hennigsdorf wenig zu spüren. „Die Leute sollen sich davon überzeugen, dass wir ein faszinierendes Werk haben“, sagt Standortleiter Marc Diening vor den Besuchern auf der Festwiese. Er verweist darauf, dass in Hennigsdorf nicht nur Züge gebaut, sondern auch neue entwickelt würden. Mit etwa 2000 Beschäftigten ist Bombardier einer der größten Arbeitergeber Brandenburgs. „Wir bekennen uns zu der gewaltigen Verantwortung, die wir in der Region haben“, so Diening weiter. Währenddessen reißt der Himmel über Hennigsdorf auf, die Sonne kämpft sich durch.
Karl Völker aus Berlin steht mit seinem Enkel vor einer Traditionslok. Großes Staunen. „Die Kinder sind neugierig“, sagt der ehemalige AEG-Angestellte und kann nicht verhehlen: „Aber auch ich finde es hier sehr interessant.“ Am beeindruckendsten findet er die Sauberkeit in den Hallen. „Früher war es hier sehr viel dreckiger“, sagt Völker und läuft langsam weiter. Auf der Festwiese wurden in der Zwischenzeit die ersten Testfahrten auf diversen Loks verlost. Einmal im Führerstand die Knöpfe drücken – ein Traum für viele und ein Mekka für Eisenbahnfans.

Im Bäckerhandwerk ist von den schwierigen Zeiten momentan auch wenig zu spüren. In Falkensee (Havelland) jedenfalls entstand auf dem Gelände des Biobackhauses an der Bahnhofstraße erst vor einigen Monaten ein Hallenanbau. Die Kapazität reichte nicht mehr aus. Allein 3500 Brote und 20000 Brötchen werden dort pro Tag gebacken. 120 Leute sind im Biobackhaus mit seinen neun Filialen beschäftigt.
Die achtjährige Sarah nutzt die Gunst der Stunde und probiert sich an einem Teigschneckchen. Auf den ersten Blick recht einfach: den Teig kneten und rollen, so dass vier kleine, längliche Würstchen entstehen sollten. „Eigentlich möchte ich Tierpflegerin werden“ sagte Sarah, während sie sich mit dem Teig abmüht. Helfen lassen will sie sich nicht, das wäre schließlich gegen ihre Ehre. Als aber aus dem als Schneckchen geplanten Backwerk allmählich ein Türmchen wird, greifen die Profibäcker dann doch kurz ein.
„Wir möchten die Leute überraschen“, sagt Bäckermeister und Firmengründer Hans-Jürgen Leib. „Viele denken, wir sind nur ein kleiner Laden, dann kommen sie aber zu uns nach hinten und sehen, was alles dahinter steckt.“ Die Neugierde scheint groß zu sein: Allein bis zum Mittag kommen etwa 50 Neugierige in die Falkenseer Bäckerei.

Doch nicht überall ist der „Tag des offenen Unternehmens“ ein Erfolg. Beatrice Barenthin wartet in ihrem Friseurgeschäft an der Karl-Marx-Straße in Neuruppin (Ostprignitz-Ruppin) an diesem Vormittag vergeblich auf Gäste, die sich über Haarschneidetechniken und Berufschancen informieren wollten. „Bei uns waren bislang nur die üblichen Kunden“, sagt Barenthin, und die Enttäuschung ist ihr anzumerken. „Wir hatten Plakate aufgehängt und Flyer verteilt.“ Woran liegt es, das trotzdem niemand kommt? „Ich denke, viele sind heute bei den Jugendweihen“ mutmaßt Barenthin. „Vielleicht ist das Interesse aber auch nicht vorhanden.“ Was jedoch nicht bedeutet, dass es in Neuruppin einen Mangel an Azubi-Anwärtern gäbe. Vier bis fünf Lehrlinge stellt die Friseurgenossenschaft, zu der Beatrice Barenthins Geschäft gehört, jährlich ein, im „Juniorsalon“ dürfen die angehenden Friseure die Haare der Kunden schneiden.
Ob das Geschäft noch einmal am „Tag der offenen Unternehmen“ teilnimmt, ist noch unklar: „Mehr als präsent zu sein, können wir nicht“, sagt Beatrice Barenthin.


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