Norwegen (3): Auf den Spuren der Elche

(2) -> 5.9.2008

Der Morgen in Kvitfjell. Ich könnte schwimmen gehen, noch vor dem Frühstück. Aber wer wohl schon schwimmen gehen, noch vor dem Frühstück? Ich jedenfalls nicht.
Wir erfahren weitere Details über Kvitfjell: Bis zum Ende der 80er war hier noch nichts. Als aber 1994 in Lillehammer und Umgebung die Olympischen Winterspiele stattfanden, wurden hier in Kvitfjell wohl einige der Skiwettbewerbe ausgetragen. Auf dem Skilift können bis zu 11000 Menschen pro Stunde befördert werden. In der letzten Wintersaison (Ende Oktober bis April) lagen bis 2 Meter Schnee. Wir hätten im Winter herkommen sollen.

Weiterfahrt nach Lillehammer, dem südlichen Ort von Gudbrandsdal. Hier kaufe ich mir erstmal Postkarten, die gar nicht mal so preiswert sind. Die Karten selbst kosten mehr als einen Euro, und auch die Briefmarken liegen bei etwa 1,20 Euro.
In der Fußgängerzone ist heute viel los gewesen. Wegen einer Art Rollerblades-Events waren in der Gågata viele Stände aufgebaut. Ein Chor sang Lieder, Mädchen wirbelten ihre Twirlingstäbe, vor einem Klamottenladen lief laute Musik. Das Flüsschen, das durch den Ort fließt, ist ein reißender Strom mit einem rauschenden
Wasserfall.
Nach dem Mittagessen und dem Besuch des Kunstmuseums von Lillehammer, ging es auch schon weiter, in die Berge. Für zwei Nächte ist das Nordseter Sportell unsere Heimstatt. Sportell, ja, das hat mit Sport zu tun. Auch wenn sich jetzt sicherlich einige fragen, was ich denn in einem Sportell zu suchen habe. Gute Frage.
Aber mal abgesehen davon, dass es bedeutet, dass es keinen Fahrstuhl hat und man sich das Bett alleine beziehen muss, ist es doch ein Highlight auf dieser Reise.
Ich betrete mein Zimmer. Boah, eine echte Küche. Ich sehe nach rechts. Boah, ein richtiges Wohnzimmer mit Couch, Kamin, Tisch, Sessel und Breitbildfernseher. Weiter nach hinten. Boah, ein Schlafzimmer. Und noch weiter. Boah, ein kleines Bad. Toll! Nun gut, dass kein klopapier da war – das ließ sich ändern. Und W-Lan gibts hier auch. Jetzt gerade sitze ich auf meiner Couch.
Also, wenn spontan jemand rumkommen will – in der Nacht zu Montag bin ich hier noch – einfach nach Nordseter kommen, gleich nebenan von Lillehammer.

Auf der Olympiaschanze Lysgårdsbakkene feierte so mancher Sportler große Erfolge. Bei unserem Besuch heute ging es auch Schlag auf Schlag. Nur dass auf den Schanzen (90 und 120 Meter) kein Schnee lag, sondern ein Wasserbelag. Ein doller geräusch, wenn die Springer an einem vorbeisausen.
Um besser sehen zu können, mussten wir von oben aus eine Treppe runterlaufen. Dummerweise aber auch wieder hoch: Fast 500 Stufen!! Nach Sauerstoff ringend und kurz vorm Koma taumelte ich in unseren Kleinbus zurück.

In Norwegen soll sich der eine oder andere Elch rumtreiben. Deshalb fuhren wir am Abend auf eine Elchsfari in die Berge.
Durch diese Berge führen Privatstraßen, für die wir eine Maut von 150 Kronen (20 Euro) berappen mussten. Im Winter ist hier alles dicht, dann führen hier Skiloipen entlang.
Peter, unser dänischer Fahrer und Elchauskenner meinte, von 25 Fahrten sei nur eine elchfrei geblieben, er könne trotzdem nichts garantieren.
Bis zu 980 Meter hoch in die Berge würde uns unser Weg führen, gestern Nacht seien schon -1 Grad gewesen. Die Elch habe keine Angst vor Autos, wenn wir einem begegnen sollten, müssten wir im Bus bleiben.
In Norwegen gebe es 200000 Elche, von denen jährlich 35000 bis 50000 geschossen würden. Etwa 10000 würden bei Unfall mit Autos oder der Bahn sterben. Während Olympia 1994 sei das ein echtes Problem gewesen: Alle 12 Minuten fuhr ein Zug von Oslo nach Lillehammer, 15000 norwegische Soldaten mussten Streckenposten an den Gleisen spielen. Ein Elch-Zug-Zusammenprall würde 30 Minuten Fahrtzeit kosten, das hätte ein Chaos ausgelöst. So aber sei nichts passiert. Am Tag vor der Olympia-Eröffnung seien in Lillehammers Hauptstraße drei Elche gesichtet worden und die Reporter hätten das für einen Gag gehalten. Es sei aber keiner gewesen.
So weit die Geschichten.
Wir fuhren also über die Berge. Eine weite Prärie mit Nadelbäumen, Wiesen und Hügeln. Aber kein Elch. Weit und breit.
Zwischenstopp. Mit Feldstechern beobachteten wir die Gegend. Nichts. Immer noch kein Elch. Nur Schafe, die hier überall frei rumlaufen, in diesen Tagen aber zurückgeholt werden.
Wir fuhren weiter. Und starrten raus. Links und rechts. Nervös, gespannt, ruhig. Peter hielt an, lugte durch seinen Feldstecher. Und nichts. Nichts. Nichts. Nur weites Feld.
Zwei Stunden Fahrt – kein Elch. Das ist dann wohl Fahrt Nr. 26 gewesen – und Nr. 2 ohne Elch. War aber trotzdem toll!
Bei Svartseta stoppten wir an eine Almhütte, in der Peters Frau für uns ein Abendbrot herrichtete.
Elchsafari ohne Elch? Nein. Nicht ganz. Auf dem Almhüttengrundstück stellte Peter einen zweiten Feldstecher auf, ein richtiges Fernrohr. Und da hinten – ganz in der Ferne, nur durchs Glas erkennbar: ein Elch. Ein fressender Elch.
Der Beweis. Es gibt sie. Irgendwo da draußen.
Vielleicht haben sie auch gerade Fußball gesehen – Norwegen spielte gerade gegen Island. Unterdessen meldeten uns unsere deutsche Korrespondentin per Handy das 1:0 für Deutschland gegen Liechtenstein. Ständchen: „Lu – kas – Po – dols – ki!!“
Nach dem Abendbrot dann der einstündige Rückweg durch die Dunkelheit nach Nordseter. Kein Elch im Scheinwerferlicht. Nur Insekten.

Vorschau auf morgen. Eher ruhig: das Freilichtmuseum Maihaugen, dann weiter nach Bjerkebæk, dem Anwesen der Schriftstellerin und Nobelpreisträgerin Sigrid Undset. Dann haben wir Freizeit – Zeit zum Schwimmen? Mal sehen.


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Kommentare

2 Antworten zu „Norwegen (3): Auf den Spuren der Elche“

  1. […] Jedes Jahr wird über die Kraniche berichtet, die rund um Linum rasten. Dort auf den Äckern und Wiesen fressen sie, um sich für die weitere Reise zu rüsten. Gerade gab es wieder Meldungen, dass es momentan rund 55000 Kraniche in Linum zu sehen gäbe. Nach meiner fast erfolglosen Elchsafari in Norwegen nun also die Kranichsafari. Doch schon auf der Hinfahrt die Ernüchterung: Eigentlich müssten man die Tiere schon zwischen Orion und Linum auf den Wiesen neben der straße sehen. Doch die Tiere ließen sich nicht blicken. Vereinzelt standen Autos am Straßenrand, Leute standen mit ihren Ferngläsern da, um keine Vögel zu sehen. In Linum selbst gibt es eine Beobachtungsstation, an die sich viele Wege anschließen, die man entlang gehen kann, um das Gebiet zu erkunden. Es ist die Idylle pur. Lauschige Seen, ausgedehnte Schilfflächen. Auch ohne Kraniche lohnt es sich, mal dorthin zu fahren. Auf dem See rasteten Wildgänse. Ein großes Geschnatter, eine riesige Ansammlung war auf dem Gewässer zu beobachten. Aber keine Kraniche. Vereinzelt flogen sie über das Gebiet. Es ist wohl doch schon zu spät für eine Kranichsafari. Nächstes wollen wir gleich Anfang Oktober aufbrechen. Da gibt es sicher mehr zu sehen. Auf der Rückfahrt bogen wir dann noch mal in eine Seitenstraße ab. In der Luft waren auch hier einige der Tierchen zu sehen – nicht jedoch für mich als Fahrer. In Linumhorst, einem extrem abgelegenen Kaff, machten wir kehrt. Das Ende der nicht sehr erfolgreichen Kranichsafari. […]

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