ZAPPER VOR ORT: Nena in Berlin

FR 08.08.2008 | Berlin, Zitadelle

Kurz nach acht auf der Spandauer Zitadelle. Aus der Ferne können wir ein paar Rockmusiker erkennen, die die Bühne betreten. Schrammelmusik setzt ein.
Aha, die Vorband.
Doch dann rennt eine zierliche Frau auf die Bühne und beginnt zu singen. Es ist keine Überraschung, dass wir den Song nicht kennen.
Eine Überraschung ist es dann aber doch: die zierliche Frau ist Nena und die Rocker ihre Band.
Das Publikum scheint den Beginn des Nena-Konzertes auf der Zitadelle auch irgendwie nicht so richtig wahrzunehmen.
Es folgt als zweites „Nur geträumt, danach „Carpe diem“. Nena ist hibbelig, total aufgedreht. Na ja, wie man sie eben kennt. Die Stimmung ist, sagen wir mal: ausbaufähig.
Die Titel wirken alle extrem rockig, das kennt man von Nena-Songs eigentlich nicht, und es kommt auch nicht besonders gut an. „Willst du mit mir gehn“ ist kaum erkennbar, so sehr wandelt Nena die Melodien ab. Und man fragt sich: Mag sie ihre eigenen Songs nicht, dass sie sie bis zur Unkenntlichkeit verschandelt?
Dann singt sie „Ich kann nix dafür“, den Song aus „Vollidiot“. Pocher fehlt. Und Nena meint danach: „Ich muss ehrlich sein, ich find das Lied überhaupt nicht gut.“ Aha. Gut zu wissen.
Es läuft nicht gut, und Nena merkt das: „Mach ich irgendwas falsch?“, fragt sie das Publikum. Das reagiert kaum. „Sind wir in Kontakt?“, fragt sie weiter. „Spürt ihr mich? Spür ich euch?“ Fragen über Fragen. Und Zweifel. Nena muss ihr Publikum noch packen, bisher ist ihr das nicht gelungen. „Ich hab‘ noch nie in Berlin gespielt, und es war so still.“ Fehlt eigentlich nur noch das Grillenzirpen. „Lasst uns schweigen, Leute.“ Fast haben ihr Angst, Nena verliert vollends die Lust und haut ab.
Dann, endlich, der Ansatz einer Wende. Es wird dunkel, Nena singt „Lass mich dein Pirat sein“. Die ersten Lichteffekte, dazu ein ruhiger Song, den Nena endlich mal nicht mit ihrer schiefen Stimme ruiniert. Dass sie dann eine deutsche Version von David Bowies „Heros“ singt, wirkt irgendwie befremdlich. Deswegen sind wir nicht hergekommen.
Etwas mehr als eine Stunde brauchte Nena, um ihr Publikum endlich im Griff zu haben, zumindest ein Viertel davon, der Rest stand so rum.
Nenas Stimmung erlebte dann auch noch einen Umschwung: „Ich liebe euch Leute, das ist so geil hier! Ich wollte ja nicht mehr geil sagen. Das ist schön! heute fällt mir das Reden echt schwer. Menschen reden sowieso viel zu viel.“ Dann singt sie „Wunder geschehen“: Leuchtstäbe, Wunderkerzen. Endlich Stimmung. Das Publikum singt mit, genießt.
Klangen einige ihrer Songs geradezu entstellt, sowohl durchs Gesang als auch durch die Band, versöhnte sie das Publikum (das gesamte!) in der Zugabe mit den (wunderbar unverschnörkelten) Hits „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ und „Liebe ist“.
Die Besucher der Zitadelle gingen am Ende dann doch noch glücklich nach Hause. Das Ende war gelungen. Aber es war eben nur das Ende, vielleicht das letzte Drittel, mit gutem Willen meinetwegen die zweite Hälfte. Aber alles davor: Mensch, Nena, reiß dich doch mal zusammen!


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