Portugal (2): Für jedes Fenster eine Hausnummer

(1) -> 31.12.2007

Unsere erste Nacht in Lissabon haben wir hinter uns gebracht. Es ist ein bisschen halt in unserer Wohnung, aber worueber woollen wir eigentlich beschweren?
Lissabon – die Hauptstadt von Portugal. Im Stadtkern leben etwas mehr als 500000 Menschen, in der gesamten Region sind es 2,7 Millionen. Die Baixa (Unterstadt) liegt am Ufer des Flusses Tejo. Drumherum liegen der Burgberg mit dem Castelo de São Jorge, die Alfama (Altstadt) und Bairros Alto (Oberstadt). Lissabon liegt im Südwesten Europas auf der iberischen Halbinsel.

Wir sind hergekommen, weil Nico im neuen Jahr den Start der Rallye Dhakar beobachten moechte. Sie wird am Sonnabend im Stadtteil Belém beginnen. Ich finde das an sich nicht sonderlich interessant, aber weil meine Cousine Nina hier in Lissabon wohnt, hatte ich eben trotzdem einen Grund, mitzufliegen.

Natuerlich brauchen wir etwas zu essen und zu trinken. Gluecklicherweise ist der naechste Supermarkt gleich um die Ecke – das El corte Iglés. Gigantisch. Hier scheint es so ziemlich alles zu geben. Der Supermarkt in der unteren Etage ist ein Mekka der Lebensmittel Europas. Gleichzeitig kann man hier sehr gut beobachten, dass die Portugiesen offenbar noch nicht ganz so weit mit dem Umweltschutz sind wie die Deutschen. Es gibt hier unglaubliche viele Verpackungen. Selbst Bananen sind eingepackt. Auf einem Plastetellerchen, mit einer dicken Folie eingeschweisst. Was ja nun wirklich vollkommen ueberfluessig ist. Auf Plasteflaschen wird kein Pfand erhoben, alles kommt am Ende in den Muell. Die netten Damen und Herren an der Kasse geizen nicht mit Plastiktueten. Waehrend sie die Ware einscannen, packen sie sie naemlich gleich noch ein. So darf das Toastbrot auch schon mal gern in eine eigene Tuete. Kostet ja nix. Ansonsten findet man im Supermarkt erstaunlich viele Produkte aus Spanien, wo es ja heist, die Spanier und die Portugiesen moegen sich nicht besonders. Es gibt gleich mehrere Abteilungen fuer Kaese. Wurst gibt es ebenfalls hier und da. Interessant: In Portugal gibt es Pepsi Cappuccino. Hab ich mir natuerlich sofort gekauft. Aber man kann sagen: Die Einfuehrung in Deutschland ist nicht zwingend notwendig.

Der Nahverkehr in Lissabon ist sehr guenstig. Eine Fahrkarte fuer 5 Tage kostet nur 14 Euro. Damit kann man sowohl Metro (U-Bahn), Bus und Electrico (Strassenbahn) fahren. Gehoert hier alles zu “Carris”, dem Betreiber des Nahverkehrs. Das Tolle: Auch die Fahrstuehle (Elevador) kann man mit der Karte nutzen. Sie sind echte Touriattraktionen, und dass man dafuer nicht extra zahlen muss, ist extrem erstaunlich.
Die beruehmteste Linie der Electrico ist wohl die Linie 28E. Hier fahren historische Waggons, regelrechte Oldtimer, die jedoch zu Stosszeiten hoffnungslos ueberfuellt sind. Wir stiegen in der Nahe des Praça do Comércio in die 28E. Ich war der Letzte, der noch reinkam, dann war das Ding gerammelt voll. Von nun an winkte die Fahrerin an jeder Haltestelle ab – das Zeichen, dass niemand mehr mitfahren koenne. Leider kamen wir aber so auch nicht raus, weil wir nicht an den Signalknopf rankamen. Egal, liefen wir eben ein paar Schritte mehr.
Wahnsinn: Der Bus scheint in jeden Winkel der Stadt zu fahren. Die Strasse hoch zum Castello de Sao Jorge ist schmal, steil und holprig. Dennoch kraucht auch dort ein kleiner Bus hoch.

Das Castelo de Sao Jorge war ein erster echter Hoehepunkt: Hier hat man eine tolle Sicht auf die Stadt. Jede der Mauern laesst sich erklimmen und erkunden, was fuer Leute mit Hoehenangst allerdings problematisch warden koennte. Hier und da fehlen naemlich Gelaender…
Ein so warmes Silvester habe ich noch nie erlebt. Wir sitzen auf dem Castello, schluerfen Milchkaffee und lassen uns die Sonne ins Gesicht scheinen – bei sonnigen 15 Grad. Wir sind im Fruehling – Ende Dezember.

Skurril in Lissabon: Die Hausnummernvergabe erfolgte irgendwann mal sehr grosszuegig. Hier scheint mitunter jades Fenster und jeder Torbogen eine eigene Hausnummer zu haben. Die Eingangstueren koennen hier schon mal so niedrig sein, dass selbst ich mich buecken muesste. Oder die Eingaenge sind zugeparkt.

Zwischendurch waehnen wir uns in einer anderen Welt: Auf einem Hinterhof sehen wir ploetzlich keine alten Hauser mehr, keine engen Gassen. Sondern es sieht aus wie im Bosnienthemenpark. Lauter Ruinen, Schutt und Freiflaechen. Wie ein Gebiet, dass in allen Plaenen voellig untergegangen ist.

Weiter in die Rua Escolas Gerais, eine schmale Gasse, durch die nur ein Gleis der 28E passt. Diese Strasse findet man auch auf einigen Postkartenmotiven von Lissabon. Wie wir spaeter rausgefunden haben, wohnt genau hier Nina.
Naemlich als wir zur Silvesterparty von Nina und Luis fahren. Weil offenbar die Bahngleise gesperrt sind, faehrt uns anstatt der Electrico ein Bus nach oben in das Viertel.
Es ist das erste Mal, dass ich Nina in Lissabon besuche. Ihre Wohnung liegt genau an der Linie 28E mit Haltestelle direkt vor der Haustuer. Wirklich: Die Bahn haelt, und dann sind es vielleicht noch 10 Schritte bis zur Hausklingel.
An den Tuerschildern steht uebrigens niemals irgendein Namen. Sondern nur: Keller, 1.Stock rechts usw. Man sollte sich diese Angaben also besser merken…

Wenn ich Ninas Tochter Mathilda sprechen hoere, bin ich ja immer ein bisschen neidisch: Sie geht in die 2. Klasse und kann portugiesisch und deutsch. Englisch ist auch drin. Zweisprachig gross zu warden ist definitive ein grosses Geschenk.
Silvester, 23 Uhr: Wir spielen “Uno”, als Deutschland das Jahr 2007 hinter sich laesst. Wir haben bis zum Beginn des Jahres 2008 noch eine Stunde Zeit. Alexander rief uns dann auch aus dem Jahr 2008 in Deutschland ins Jahr 2007 nach Portugal an…
23.30 Uhr: Puenktlich als das Essen fertig ist, muessen wir los. Oder besser: Wir wollen. Den Jahreswechsel wollen wir auf dem Praça do Comércio verbringen.

Silvester ist Purtugal sehr viel entspannter als in Deutschland. Knallereien kommen hier nicht vor. Es ist hier einfach nicht ueblich, privat irgendwelche Blitzknaller unmotiviert vor sich auf die Erde zu schmeissen. Auf dem Praça findet ein grosses Konzert statt, die Band scheint hier ziemlich bekannt zu sein. Auf einer grossen Leinwand wurde die Uhrzeit angezeigt. Doch ein Uhrenvergleich brachte Unsicherheit: Die Uhr dort vorn schien eine gute Minute nachzugehen.

Punkt 0 Uhr (oder auch vielleicht auch schon 0.01 Uhr): In dem Moment, in dem Lissabon ins Jahr 2008 rutschte, began zu den Technoklaengen von “Carmina Burana” ein riesiges, wunderbares Feuerwerk. Ein echtes Erlebnis.
Danach leerte sich der Platz aber auch wieder recht schnell. Was vielleicht auch daran lag, dass die Bahn nach 0.30 Uhr nicht mehr fuhr. So flexibel sind die Verkehrsbetriebe dann doch nicht, um mal in der Neujahrsnacht den Betrieb zu verlaengern…

Gegen 1 Uhr waren wir wieder bei Nina und schlugen uns die Baeuche voll. Die Kinder hielten lange durch – bis 4.30 Uhr am Morgen, als auch wir wieder aufbrachen, um nach Hause, in unsere vorruebergehende Heimstatt zu fahren. Leider gelang es uns nicht, telefonisch ein Taxi zu bekommen. In der Neujahrsnacht warden sicherlich viele Lissaboner die Warteschleife der Zentrale kennengelernt haben.
Wie sich dann aber rausstellte, war das alles kein Problem: Wir waren gerade vor der Haustuer, als auch schon ein leeres Taxi an uns vorbeirauschte. Einmal gewunken und schon waren wir drin. Fuer nur 5,50 Euro wurden wir an unser Ziel gebracht.


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