Full Metal Village

Wacken ist ein kleines beschauliches Dörfchen in der Nähe von Itzehoe in Schleswig-Holstein. Die 2000 Einwohner führen ein normales Leben, arbeiten in der Landwirtschaft, basteln an Motorrädern oder veranstalten Kaffeekränzchen.
Einmal im Jahr allerdings wird Wacken überströmt von harten Jungs und Mädchen. 40000 kommen zum Wacken Open Air, einer großen Heavy-Metal-Party.
Die Dokumentation „Full Metal Village“ von der Koreanerin Sung Hyung Cho zeigt, wie dieses Open Air das Dorfleben durcheinanderwirbelt, den Gegensatz von Beschaulichkeit und Chaos.
Schade, denn aus der unterhaltsamen Doku hatte wesentlich mehr gemacht werden können. Die Autorin filmt das Geschehen einfach nur chronologisch ab. Zeigt uns das Geschehen im Dorf, das ganz normale Leben. Schon sehr piefig. Erst nach einer runden Stunde (!) geht es zum eigentlichen Thema. Da widerrum ist Cho so vom Festival fasziniert, dass wir fast schon in einen Konzertfilm abgleiten.
Die eigentlich spannenden Fragen werden nicht beantwortet: Was machen denn eigentlich die Bewohner von Wacken während des Konzertes? Wir sehen, was sie davor und danach machen, aber nicht währenddessen. Sitzen sie vor dem Fernseher? Stört sie die ferne Musik? Sind sie auch die ganze Zeit auf dem Festival – oder am Rande? Wir erfahren es nicht.
Stattdessen zeigt der Film gerade am Anfang die Koreanerin, wie sie sich vom Bauern den Unterschied zwischen einem Kalb und einer Kuh erklären lässt. Ganz nett, aber irgendwie wirkt es deplatziert.
Der Film ist langweilig komponiert. Besser wäre der Einstieg mit dem Einfall der Metalfans, um dann in Rückblicken das normale Leben zu zeigen.
Ein hochspannendes Thema, das sehr einfallslos umgesetzt wurde.

->> 2/5


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Kommentare

5 Antworten zu „Full Metal Village“

  1. LetThemEatCake!

    Meiner bescheidenen Meinung nach ist FULL METAL VILLAGE nicht nur als Dokumentation herausragend, sondern er ist auch einer *der* Top-Filme des Jahres 2007. Übrigens nicht nur meiner bescheidenen Meinung nach: Bei uns im Kino gab es viel Gelächter, viel Gegröle, dauernd Szenenapplaus! Und das kommt im peinlich stocksteifen Ostwestfalen-Lippe wahrlich sehr selten vor. Einfach göttlich, wie durch die Augen einer Regisseurin mit asiatischem Migrationshintergrund deutsche Provinzbefindlichkeiten eingefangen wurden. Nicht kommentieren oder werten, sondern die Leute einfach erzählen lassen; dazu impressionistische Aufnahmen der Dorf-Atmosphäre — fertig ist eine frohe, lockere, unverklemmte Doku mit exorbitantem Unterhaltungswert. Man, was haben wir gelacht. Unbeschreiblich. Muss man gesehen haben. Und die „Wa-cken, Wa-cken Feuerweeeehr!“-Szene ist for the ages!!!!

    @RT: „Erst nach einer runden Stunde (!) geht es zum eigentlichen Thema“ Ich unterstelle mal: Das, was die Regisseurin hauptsächlich zeigt, ist das eigentliche Thema des Films …und nicht etwa die Konzeption/der genaue Ablauf des Festivals. 😉
    „ie eigentlich spannenden Fragen werden nicht beantwortet: Was machen denn eigentlich die Bewohner von wackern während des Konzertes? Wir sehen, was sie davor und danach machen, aber nicht währenddessen. Sitzen sie vor dem Fernseher? Stört sie die ferne Musik? Sind sie auch die ganze Zeit auf dem Festival – oder am Rande? Wir erfahren es nicht. “
    In einer lustigen Szene flüchtet der Dorf-Pfaffe vor den herannahenden Rockern in den Urlaub. Ebenso einige ältere Bewohner. Der Rest der Dorfgemeinschaft versucht am Festival Geld zu verdienen — als Ordner, als Getränke-Verkäufer, als sonstwas. Und die Dorfjugend mischt sich unters Publikum. Aber das wurde ja alles explizit gezeigt im Film, weshalb ich die Frage nicht so ganz verstehe.

    „Da widerrum ist Cho so vom Festival fasziniert, dass wir fast schon in einen Konzertfilm abgleiten.“

    30 Sekunden, nur 30 Sekunden wird eine Heavy Metal-Gruppe auf der großen Festivalbühne gezeigt. „Konzertfilm“ ist was anderes, meiner Meinung nach.

    „Der Film ist langweilig komponiert. Besser wäre der Einstieg mit dem Einfall der Metalfans, um dann in Rückblicken das normale Leben zu zeigen. “

    Rückblenden? Mit Rückblenden hätte der Film m. E. niemals diese Wirkung entfalten können. Es geht doch um den Kontrast: Erst das schrullige Provinzleben zeigen, *dann* die Festivalbesucher einfallen lassen. Die Frau hat sich schon was dabei gedacht, wie sie den Film strukturiert hat. Anderenfalls hätte man ja immer das Chaos des Festivals vor dem inneren Auge, während als Rückblende ruhige Szenen des Dorflebens gezeigt werden. Nee, chronologisch macht m. E. viel mehr Sinn.

    „Ein hochspannendes Thema, das sehr einfallslos umgesetzt wurde.“

    Ist das denn ein Thriller, dass man „Spannung“ in der Umsetzung verlangen müsste?

    P.S.: Wer den Film verpasst, der äh verpasst was.

  2. TheCritic

    Oje. RT wieder mit voll speed am Thema vorbei. Der Untertitel heißt *Ein Heimatfilm* und nicht *MTV Live*. Denk mal drüber nach.

    Das Konzept ist großartig, weil es exakt die Konzertkultur wiedergibt. 95% Piefigkeit und dann rollt eine Lawine über das Dorf hinweg. Wobei ich es der Regisseurin hoch anrechne, wie sie diese Piefigkeit darstellt. Respektvoll, ohne an kritischen Punkten wegzusehen. Wüßte jetzt auch nicht wirklich, ob ich die stille Begeisterung der Tochter für die Hitlerzeit oder die Reaktion der Konzertbesucher auf das gebrüllte *Are you ready to kill each other?* grusliger finden soll.

    Toll auch, was die Regisseurin aus der Unbeholfenheit der Leute gegenüber dem Medium Film und ihrer koreanischen Herkunft rausholt. Das Gespräch über Kälber. Die kleine Euterkunde. Die Lehre vom Schonen der älteren Frau.
    Und natürlich meine Lieblingsstelle: „Damals habe ich dann die Fäkalien der Konzertbesucher weggefahren. Alle zwei Stunden. Ach, war das eine schöne Zeit.“

  3. LetThemEatCake!

    „Toll auch, was die Regisseurin aus der Unbeholfenheit der Leute gegenüber dem Medium Film und ihrer koreanischen Herkunft rausholt.“

    …zumal sie ja gar nicht auszublenden versucht, dass diese Leute sich der Anwesenheit der Kamera bewusst sind (man hätte alle Momente rausschneiden können, in denen die porträtierten Menschen plötzlich die Filmcrew ansprechen mit Kommentaren, Fragen, whatever). Dadurch wirkt diese Doku unprätentiös und aufrichtig: „Inwieweit beeinflusst die Anwesenheit der Kameras das Verhalten, die Natürlichkeit dieser Menschen?“, ist eine Frage, die sich der Zuschauer halt stellen muss.
    Übrigens glaube ich, dass diejenigen, die die Kameras völlig vergessen haben, diese beiden Teenagerinnen sind. Bei denen hatte ich bisweilen das Gefühl, dass ihr Verhalten gar nicht beeinflusst wird. Die sind halt so wie sie da sind. Und, ja, das war teilweise gruselig. „Meine Oma hat mir so viel über das Dritte Reich erzählt. Da wäre ich gerne dabei gewesen. Das hätte ich alles liebend gern mit eigenen Augen gesehen …die Uniformen, …die Parteiaufmärsche“. Geht’s noch, Mädel?

  4. TheCritic

    Dieses Spiel mit der Anwesenheit der Kamera nutzt die Regisseurin prima zur Publikumsbindung ein. Der Film hatte mich quasi schon am Anfang in der Tasche, als Omma die Cousine zu Besuch hatte. Dieser hilflose und gleichzeitig belustigte Blick in Richtung Crew, der sagte: Die quatscht nicht immer so einen Blödsinn über das Kuchenbacken, das ist jetzt wegen euch. Full metal village ist deshalb auch ein Lehrstück über das, was bei einer Dokumentation vor der Kamera auftaucht und was nicht. Nebenbei wird so die vermeintliche Objektivität von Dokumentationen verhandelt. Am besten wohl an der Präsentation der Frau des Milchbauerns sichtbar, die dem Zuschauer nahezu ausschließlich durch die Erzählung ihres Mannes bekannt ist und dann im Abspann auftaucht.

  5. RT

    TheCritic, voll am Thema vorbei?
    Genau, ein Heimatfilm! Aber an der von mir kritisierten Stelle ist die Doku ja eben KEIN Heimatfilm, sondern eben doch MTV live. Genau das kritisiere ich doch! Ich hätte eben genau während des Konzertes mehr darüber gewusst, was die Dörfler machen. Stattdessen gibt es da fast nur Konzertausschnitte.

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