Es wird zu viel palavert

Über das Gefühl, etwas bewegen zu können / Junge Erstwähler aus Oberhavel diskutieren


MAZ Oranienburg, 14.9.2005

ORANIENBURG

„Ich habe mich noch nie so extrem wie dieses Jahr mit der Wahl beschäftigt“, meint Anne-Katrin Schlüter. Die 18-jährige Gymnasiastin aus Leegebruch darf am Sonntag das erste Mal wählen gehen. Doch es wird eine schwierige Entscheidung. Nicht nur für sie.
„Ich bin mir noch völlig unschlüssig“, sagt Sven Schwärmer (18). „Man bräuchte spezielle Fakten und müsste die Leute direkt befragen“, findet der Oranienburger. Wie die anderen auch besucht Franziska Risse das Louise-Henriette-Gymnasium. „Ich finde es jedenfalls gut, dass wir das Thema auch in der Schule behandeln.“ Sven stimmt ihr zu. „Denn im Großen und Ganzen fehlt das nötige Interesse der Jugend bei diesem Thema.“
Das große TV-Duell vom 4.September konnte vielleicht Abhilfe schaffen. Alle in der Gesprächsrunde haben es jedenfalls gesehen. Aber hat es ihnen auch wirklich etwas gebracht? „Es gab keine konstruktiven Vorschläge“, ärgert sich Sven. „Es ist zu viel palavert worden. Ich weiß jedenfalls immer noch nicht, wen ich wählen werde.“
Jedenfalls nicht eine der rechtsextremen Parteien, da sind sie sich einig. Aber wie sollte man mit ihnen umgehen. Ignorieren? „In Oranienburg kriegt man die schon mit“, findet Sven. Franziska sieht das auch so: „Die kann man nicht mehr totschweigen.“ Jeder solle sich mit einer Partei wie der NPD auseinander setzen. „Man muss sich das durchlesen, um zu sehen, was die für einen Stuss schreiben“, findet Richard Voigt. Der 18-jährige Malzer fürchtet, dass nicht wenige Leute auf die Wahlversprechen der NPD reinfallen. „Aber viele machen sich eben keinen Kopf darüber.“
Kritisch stehen die Jugendlichen in der kleinen Runde aber auch der Linkspartei-PDS gegenüber. „Was die machen wollen, ist zwar alles das, was ich möchte“, sagt Anne-Katrin. „Aber die Frage ist doch: Ist das alles auch umsetzbar?“ Die Antwort schiebt sie gleich nach: „Nein.“ Richard bringt die Vergangenheit der Partei ins Spiel: „Die haben mal einen ganzen Staat runtergewirtschaftet.“
Auf jeden Fall ist der kommende Sonntag für die vier Jugendlichen etwas Besonderes. „Ich habe das Gefühl, dass diesmal wirklich jeder wählen gehen will“, ist Anne-Katrin aufgefallen. „Ja, man hat das Gefühl, man kann etwas bewegen“, stimmt ihr Richard zu. „Ich bin froh, dass ich meine politische Meinung endlich auch vertreten kann“, freut sich Franziska. „Und grundsätzlich sollte jeder von seinem Stimmrecht Gebrauch machen.“
In vier Tagen dürfen sie das.


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