ZAPPER VOR ORT: Musikantenstadl on Tour

DO 17.02.2005, 20.00 Uhr, ICC, Berlin

„Wir kommen alle, alle, alle in die Hölle!“ Vielleicht hatte Karl Moik mit seinem Lied gar nicht mal so unrecht. Willkommen im „Musikantenstadl“! Pünktlich um 20.01Uhr ertönt am Donnerstagabend im Berliner ICC die Stadl-Melodie. Die Menge, außer uns keiner unter 30, rast. Im Schlepptau hat Moik übrigens auch sein original Stadl-Orchester. Wie „original“ es wirklich ist, weiß niemand.
Die Mürztaler aus der Steiermark eröffnen das Programm. „Wenn die Musik nicht wär, gäb’s keine Träume mehr“, schmettern sie in schnellem Rhythmus. Das Publikum reagiert verhalten. Vielleicht träumt es? Der Song ist jedenfalls zu schnell, um mitzuschunkeln. Ich lasse mich dazu hinreißen, mit den Füßen zu wippen. Die Männer vom Orchester, die nichts zu tun haben, schauen apathisch in die Gegend.
„Das folgende Potpourri musste in vergangenen Vorstellungen dreimal wiederholt werden, weil es so gut ankam“, erzählt Karl Moik dann. Vielleicht hat es aber auch daran gelegen, dass das Publikum den Text nicht verstanden hat und das Ganze deshalb nochmal hören wollte?
Nur etwa zehn Minuten nach Beginn des Programms heißt es plötzlich „Time To Say Goodbye“. Doch da habe ich mich zu früh gefreut. Der Schluss liegt in weiter Ferne.
Danach spielt die Stadl-Band Hits eines gewissen Herb Alpert, von dem ich zwar noch nichts gehört habe, seine Hits kenne ich überraschenderweise trotzdem. Ich möchte schon wieder tanzen. Aber ich will ja nicht auffallen. Das Publikum zeigt seine Begeisterung wohl eher innerlich. Leiter der Stadl-Band ist übrigens Wolfgang Lindner. Der ist zwar nur dafür da, blöd auf der Bühne rumzustehen, aber selbst damit kann man sicherlich viel Kohle verdienen.
Dann kommt Jodelkönigin Herlinde. Mit angetackertem Grinsen und einem glücklicherweise nur halbdurchsichtigen Blüschen betritt sie die Bühne. Ihr Hitkonzentrat ist so poppig, dass ich fast schon wieder aufspringen möchte, aber das käme bei den Umsitzenden sicher nicht gut an. Wolfgang Lindner, übrigens Herlindes Kerl, latscht in dieser Zeit quer über die Bühne und macht andeutungsweise hier und da eine Handbewegung, die allerdings nicht als ein Dirigieren gedeutet werden kann.
Nun passiert etwas Unfassbares: „Lebt denn der alte Holzmichl noch?“ Das Publikum erwacht. Aufgeweckt vom Randfichten-Hit, nachgesungen von den Mürztalern. „Jaaaa, er lebt noch!“ Fürs Händehochreißen reicht es im Publikum zwar noch, aber für das Aufstehen dann doch nicht mehr. Als die Stimmung ihren frühen Siedepunkt erreicht, kommt Moik auf die Bühne. Mit sonorer, langweiliger Stimme sagt er seinen nächsten Star an. „Eine echte Schlaftablette“, bemerkt sehr treffend die MAZ-Gewinnerin der Freikarten aus Velten.
Ein Mürztaler-Witz gefällig? „Was ist ein Bär, der fliegt? Ein Hubschraubär!“ Das kommt an. Höchste Zeit für die Werbung! Denn draußen im Foyer gibt es das Stadl-Brot zu kaufen! Karl Moik isst das auch jeden Tag. Na, dann muss das ja schmecken. Nachdem der Name der Bäckerfirma des Brotes noch dreimal genannt wurde, dürfen alle in die wohlverdiente Pause. Dummerweise hab ich nur 2,50 Euro dabei und Durst. Also kein Stadl-Brot. So ein Pech.
Zweiter Akt. Francine Jordi wollte mal Militärpilotin bei der schweizerischen Armee werden. Stattdessen hat sie den Grand Prix der Volksmusik gewonnen. Übrig geblieben ist davon nur die Stadl-Tournee mit Schlaftablette Moik. Das hat sich Francine wohl auch anders vorgestellt. Während sie vom Feuer der Sehnsucht singt, dämmert das Publikum vor sich hin. „Tanz, Alexis, tanz!“, trällert sie dann und fordert die Leute zum Mitsingen auf. „Alle zusammen! Lauter!!“ Lauter? Es singt doch gar keiner. Die Zuschauer bocken. Bis auf einen Opa, der Francine Blumen überreicht.
Süßigkeiten bekommt Patrick Lindner dann von einer Frau in die Hand gedrückt, während er ein „Halleluja auf das Leben“ schmettert. Leider kann Patti mit dem Zeug nichts anfangen und drückt sie Namensvetter Wolfgang Lindner in die Hand, der sowieso gerade nichts zu tun hatte. Doch so spontan ist der Wolfgang dann doch nicht. Gekonnt lässt er das Päckchen aus der Hand gleiten.
Und weil es in Berlin ja so schön ist, kommt dann nochmal die Francine Jordi, um ein spezielles Lied nur für die Berliner zu singen: „Felicita“, ursprünglich von Albano und Romina Power. Die in diesem Moment schmerzlichst vermisst werden. Sonntag ist der Stadl in Cottbus. Die Stadt wird Francine dann sicher auch so toll finden, dass sie das spezielle Lied auch dort zu Gehör bringen wird. Ausnahmsweise.
23 Uhr. Der Stadl ist aus. Das Publikum tritt den Rückzug an. Es war schön. Urig. Rieeesig. Der Alltag hat uns wieder. Danke!


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Kommentare

Eine Antwort zu „ZAPPER VOR ORT: Musikantenstadl on Tour“

  1. […] Auch wenn es die Zapper-Kolumnen bereits seit Februar 1996 gibt: In der MAZ erscheinen sie am 7. Juli 2007 seit zehn Jahren. In Ausgabe zwei der Jugendseite der MAZ feierte er mit einem Beitrag über Jürgen Fliege seine Premiere. (-> 2.7.1997) Auf der Willi-Party im Oranienburger Kulturkonsum wurden auch die 4 besten Zapper-Texte verlesen, zusätzlich einer aus der Reihe “Zapper vor Ort”. Wer nicht dabei sein konnte: Hier noch einmal zum Nachlesen: -> 1.2.2000 -> 2.10.2006 -> 21.3.2006 -> 12.4.2001 -> 18.2.2005 […]

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