Tischdienst auf Alcatraz

Alexander Plentz (19) betreut Kinder im Sommerlager der Freikirche in Vehlefanz

MAZ Oranienburg, 28.7.2004

VEHLEFANZ
Wer nach Alcatraz will, muss sich mit einer kleinen Fähre über den Mühlensee fahren lassen. Zu sehen sind lauter Sperrzäune, Zelte, in der Mitte ein Wachturm. Heute soll auf Alcatraz alles ein wenig lockerer angegangen werden: Der Gefängnisdirektor hat Geburtstag und dementsprechend gute Laune. Da haben die Gefangenen ein paar Freiheiten mehr als sonst, können auch mal eine ruhige Kugel schieben.
Die Gefängnisinsel liegt am Vehlefanzer Mühlensee und ist in Wirklichkeit das diesjährige Sommerlager (SoLa) der Freikirchen Schwante, Oranienburg und Potsdam. Der 19-jährige Alexander Plentz ist einer von etwa 80 Betreuern. Der Oranienburger ist bei allen Lagern dabei gewesen. „Im ersten Jahr noch als Teilnehmer, danach als Helfer und Betreuer“, erzählt er.
Die gut 120 Teilnehmer im Alter von neun bis 13 Jahren sind in fünf Familien, beziehungsweise Blöcke, aufgeteilt. Alexander ist einer von elf Familienmitarbeitern in „Block A“, die sich um 24 Kinder kümmern. Seit dem vergangenen Mittwoch haben die Mitarbeiter das Sommerlager aufgebaut. „Die meisten opfern dafür sogar einen Teil ihres Urlaubs“, erzählt Alexander. „Um die Gefängnisatmosphäre herzustellen, haben wir die vielen Bauzäune aufgestellt.“ Dazu die Waschanlagen, das Küchenzelt, die Dixi-Klos. Der Weg zum Camp musste mit Schotter ausgebessert werden. „Aber bei Regen ist er total schlammig.“
Nach dem Ausbruch aus dem Gefängnis und der Ankunft auf Alcatraz (MAZ berichtete) haben sich die Kinder in Vehlefanz inzwischen gut eingelebt. Gegen 7.30 Uhr werden sie am Morgen geweckt. „Zweimal am Tag findet ein Appell statt“, beschreibt Alexander Plentz den Tagesablauf. „Wobei wir das nicht übertreiben wollen, die Kinder sollen ja ihren Spaß haben.“ Der Gefängnisdirektor hält dann eine Rede und die Familien können Anträge einbringen. „Da denken sich die Kinder oft lustige Dinge aus“, schmunzelt der junge Betreuer. Zum Beispiel, ob sie die Mützen mal falsch herum aufsetzen dürfen. „Gestern wurde dem Antrag stattgegeben.“
Täglich gibt es ein oder mehrere Anspiele. In dieser Geschichte soll den Kindern das Leben auf Alcatraz gezeigt werden. Alexander spielt dort Mike Miller, der ebenfalls hier inhaftiert ist und an eine böse Clique gerät. Mike beschließt, dass er fliehen will. Wie diese Story weitergeht, erfahren die „SoLa“-Teilnehmer in den nächsten Tagen.
Aber auch diverse Aufgaben haben die Kinder zu erledigen. Toilettendienst, Tischdienst, Spüldienst. Nicht zu vergessen: die Nachtwache. „Da sitzen wir nachts am Feuer und machen alle halbe Stunde einen Rundgang“, erzählt Alexander. „Es ist erstaunlich, was sie dann alles so mitbekommen.“
„Wir wollen den Kids zeigen, welchen Sinn unser Leben hat“, erklärt Alexander das Anliegen, das er vermitteln will. „Uns ist klar: Gott hat einen Plan mit uns. Er vergibt uns unsere Strafen.“ Nur ein Fünftel der SommerlagerTeilnehmer sind Christen. „Generell sind die Kids begeistert“, sagt Alexander. „Das macht sie aber noch nicht zu Christen. Und wir wollen ihnen ja auch nur ein Angebot machen.“ Niemand werde gezwungen.
Für ihn selbst bedeutet diese Woche natürlich viel Stress, aber: „Es ist persönlich eine sehr gute Erfahrung. Man lernt viel über sich selbst. Man ist belastbarer, kann besser mit Kindern umgehen.“
Am Sonntag geht das Abenteuer Alcatraz in Vehlefanz zu Ende. Dann können auch die Eltern und Interessierten ab 10Uhr das Camp besichtigen.


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