„Keine Lust, die wiederzusehen“

Gysi nochmal in den Bundestag?

MAZ Oranienburg, 17.4.2004

ORANIENBURG
Wird Gregor Gysi 2006 noch einmal für den Bundestag kandidieren? Das wird der Anwalt sehr häufig gefragt. Auch in der gut gefüllten Oranienburger Orangerie durfte diese Frage am Donnerstagabend nicht fehlen. Etwa 200 Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgten das Gespräch zwischen Gysi und dem Radiomoderator Jürgen Rummel. Und warteten auf Gysis Antwort. „Ich habe die Rechnung für die zwölf Jahre davor bezahlt“, meint Gysi. Vor kurzem hatte er einen leichten Herzinfarkt. Ende 2005 will er sich entscheiden, ob er sich noch einmal zur Bundestagswahl aufstellen lassen will. „Trotzdem bleibe ich ein politisch handelnder Mensch“, bekräftigt er. Deswegen müsse er aber nicht unbedingt im Bundestag sein. „Ich habe auch keine Lust, die alle wiederzusehen“, meint er mit einem schelmischen Grinsen. „Andererseits: Die haben mich aber auch verdient.“
„Die DDR war für die Westler viel mehr Ausland als die BRD für die DDR-Bürger“, sagt Gysi. Weshalb die PDS auch heute noch für viele Westdeutsche eine ausländische Partei sei. Und: Seit die Partei nicht mehr mit einer Fraktion im Bundestag vertreten sei, käme der Osten dort kaum noch vor.
Es gebe auch ein mentales Problem. Im Zusammenhang mit der Deutschen Einheit sei den Westdeutschen kein positives Erlebnis aus dem Osten gegönnt worden. Über eine Übernahme einiger guten As-pekte aus dem DDR-Bildungsbereich sei im Westen nicht einmal nachgedacht worden. Aber: „Ich freue mich, dass sie jetzt nach Finnland fahren, um sich da das DDR-Bildungssystem anzusehen“, schmunzelt Gregor Gysi. Aus heutiger Sicht sei die Wiedervereinigung mehr eine Eingliederung des Ostens an die Bundesrepublik gewesen.
Dass er wegen der Bonusmeilen-Affäre als Wirtschaftssenator von Berlin zurückgetreten ist, sieht er auch heute noch als „richtige Konsequenz“. „Der Fehler war ja meiner“, sagt Gregor Gysi.
Nach zwei Stunden war das Gespräch beendet. Gysi hätte sicherlich noch stundenlang weiterreden können…


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