Niemand stand Andri zur Seite

Schüler des Louise-Henriette-Gymnasiums beeindrucken mit Theaterstück von Max Frisch

MAZ Oranienburg, 23.1.2002

ORANIENBURG
„Ich gebe zu, ich hab ihn nicht leiden können.“ „Ich bin nicht schuld, dass es so gekommen ist.“ Ein junger Mann ist tot. Er wurde umgebracht. Und niemand stand ihm zur Seite. Niemand hat es verhindert. Denn es hätte verhindert werden können.
Mit dem Stück „Andorra“ des Schweizer Schriftstellers Max Frisch ging am Donnerstag und Freitag der Kurs Darstellendes Spiel 13.1 des Oranienburger Louise-Henriette-Gymnasiums in die Öffentlichkeit. Unter der Leitung ihres Lehrers Achim Dawid haben die Schülerinnen und Schüler ein gutes Jahr an dem Stück gearbeitet.
Vor vielen Jahren hat ein Lehrer (Olaf Zwietschkowski) ein jüdisches Waisenkind aufgenommen. Damit, dass Andri ein Jude ist, gab es nie Probleme. Inzwischen ist aus Andri (Michael Martin) ein junger Mann geworden, in seine Familie hat er sich gut eingelebt. Sehr gut sogar. Seine Stiefschwester Barblin (Denise Ahrendt) ist gleichzeitig auch seine Freundin. Andri würde sie gern heiraten, was dem Vater gar nicht passt.
Die Zeiten ändern sich. Langsam, aber durchaus merklich. „Wenn die Schwarzen von drüben kommen, wird vieles schlechter“, heißt es. Mehr und mehr schlägt Andri Misstrauen und Hass entgegen. Immer mehr Soldaten tauchen auf. Und auch eine geheimnisvolle Senora (Cornelia Friedrich), die sich besonders um Andri zu kümmern scheint. Nicht ohne Grund: Sie ist Andris richtige Mutter. Mehr noch: Der Lehrer, der vorgab, Andri adoptiert zu haben, ist in Wirklichkeit sein richtiger Vater. Die Affäre mit der Senora wollte er nie zugeben. Damit steht aber auch fest, dass Andri Barblins richtiger Bruder ist. Und: Er ist gar kein Jude. Doch das kann das Volk nicht glauben („Aber man sieht es ihm doch an!“) und Andri selbst auch nicht. Als er fälschlicherweise eines Mordes bezichtigt wird, steht das Todesurteil fest.
Das Ende ist bedrückend. Da wirkt der heftige Applaus des Publikums am Ende fast befreiend. Viel Beifall für ein bewegendes und fesselndes Stück, welches die jungen Leute sehr gut umgesetzt haben.
Den Vorschlag, „Andorra“ aufzuführen, hat Achim Dawid seinen Schülern selbst gemacht. „Die Proben waren sehr anstrengend“, erzählt Michael Martin (Andri). „Es war ein schwieriger Prozess“, ergänzt Achim Dawid. Doch die Mühe hat sich gelohnt.
Das Stück ist zeitlos, die Problematik nicht unbekannt. Für den einen oder anderen vielleicht ein kleiner Denkansatz.


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