In der AGA (14): Im Innendienst

Montag, 5.24 Uhr. Stabsunteroffizier Neubaldt geht beim morgendlichen Antreten die Liste aller, jetzt vereidigten, Pioniere durch. Als er bei meinem Namen ankommt, rufe ich: „Neukrank!“
Da ich am Freitag wegen des Gelöbnisses, zu dem wir ja mit dem Bus gefahren sind, mein Auto in Havelberg stehen gelassen habe, musste Patrick diesmal fahren. Und das war gut so, denn ich hatte dermaßen rasende Kopfschmerzen, dass ich wohl höchstwahrscheinlich in den nächstbesten Straßengraben gefahren wäre.
Viel besser ist es heute auch nicht, und wer will schon in so einem desolaten Gesundheitszustand ins Biwak?

Während die anderen also wieder mal nach Nitzow aufbrechen, besuche ich das StoSanz, das Standortsanitätszentrum. Dort wundert sich der Herr Oberstabsarzt erst einmal darüber, dass ich überhaupt solche Kopfschmerzen bekommen konnte. Erzählte er mir doch bei der Hauptuntersuchung vor drei Wochen, dass hier die Luft ja dermaßen gut sei, dass das gar nicht passieren könne. „Ich habe sie ja schon seit gestern, wo ich noch zu Hause war.“ – „Na dann ist mir ja alles klar! Vielleicht sollten Sie am Wochenende nicht nach Hause fahren und hier im wunderschönen Havelberg bleiben!“ Sonst noch was? So richtig klar denken kann der Doktor aber auch nicht mehr. Wer weiß, wo er sein Wochenende verbracht hat.

Einen Erfolg hat das Ganze zumindest gebracht: Ich brauche nicht nach Nitzow nachfahren. Mit fünf Paracetamol bewaffnet begebe ich mich in den Innendienst. Im GeZi, dem Geschäftszimmer, wo gerade zwei OGs (Obergefreite) auf ihren Stühlen rumlümmeln, gebe ich den Krankenschein ab. „Und was passiert jetzt?, frage ich. Einer von den OGs meint: „Abwarten… Wir müssen erst sehen, wie viel von den Innendiensttoten wir überhaupt haben.“ Besonders zu interessieren scheint ihn das aber nicht, denn äußerst gelangweilt schlägt er wieder die Magdeburger Volksstimme auf.

Die Langweiligkeit im GeZi ändert sich schlagartig, als Hauptfeldwebel W., der Spieß, den Raum betritt. Er ragt mich, wie lange ich krank sei.

Meine Kopfschmerzen sind unterdessen gerade dabei, sich in einen handfesten Migräneanfall zu verwandeln. Als liebsten würde ich auf die Stube gehen und nur noch schlafen. Aber ich glaube, daran ist nicht zu denken. „Am besten, Sie gehen erst einmal zum GvD und vertreten den, dann kann er für mich ein paar Akten in die erste Kompanie bringen“, meint W.

Glücklicherweise liegt auch hier im GvD-Zimmer eine Zeitung. Die „Bild“, aber immerhin bin ich ein paar Minuten von den Kopfschmerzen abgelenkt.
Insgesamt sind wir acht Leute im Innendienst. Ich wurde von W. zum Treppefegen eingeteilt. Wie in Trance schiebe ich den Dreck von stufe zu Stufe. Die können mich doch alle mal am Arsch lecken!
Wenn ich jetzt die Treppe runterfalle, was passiert dann? Hier interessiert es doch keine Sau, wie es einem geht. Hier denken doch alle, man simuliert, weil man nicht mit ins Biwak geht. Ich wünsche mir nur noch ein Bett und eine Decke, unter die ich mich legen kann – und Schlaf. Nur noch Schlaf.

„Schlafen können Sie in der Nacht“, sagt mir der Spieß, als ich ihm meine Lage schildern will. Stattdessen darf ich nun das Bad auf unserer Etage wischen.
Na gut, hier bin ich wenigstens alleine. Beim Wischen kann ich mir gaaaaanz viel Zeit lassen… Und die Fliesen… müssen auch abgewischt werden… Ganz langsam… Ich habe Zeit… Ganz viel Zeit… So blitz-blank war dieser beschissene Waschraum wahrscheinlich lange nicht mehr!


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert