In der AGA (7): Formaldienst

“Dritter Zug – Aufsteeeeehn!“ – Montag. Montagfrüh, noch sehr früh. 4.59 Uhr, um genau zu sein. In dieser Woche ist es Unteroffizier G., der die Ehre hat, uns aus den Betten zu schreien. Habe ich überhaupt geschlafen? Ich weiß es nicht so genau.
Um kurz vor eins erst sind Patrick und ich hier in Havelberg angekommen. Die paar Stunden in der Heimat sind rasendschnell vergangen.

Die Stimmung im Waschraum ist auf dem Nullpunkt. Es wird wenig geredet an diesem Morgen. Zu groß ist der Frust darüber, dass das Wochenende noch in so weiter Ferne ist.
Während wir uns unsere Uniformen anziehen, dudelt aus Patricks Weltempfänger, an den er glücklicherweise gedacht hatte, fröhliche Musik. Wir sind sogar zu missgelaunt, um festzustellen, dass das Gedudel unerträglich ist. Aber immer noch besser, als die totale Stille.

Der Vormittag wird uns durch den Formaldienst versüßt. Bevor der allerdings losgehen kann, kontrollieren unsere Ausbilder, ob unsere Schuhe blitz-blank geputzt sind und auch alles andere ordentlich sitzt. Und ist zum Beispiel auf den Stiefeln auch nur der Hauch eines Fleckes erkennbar, riskiert der junge Soldat einen gewaltigen Anschiss. Außerdem darf er auch noch mal auf die Stube zurücktreten, um seine unansehnlichen, völlig verdreckten Stiefel in Ordnung zu bringen. Schafft er das wieder nicht, hat er eben noch mal das herrliche Vergnügen – je nach Laune der Stabsunteroffiziere und des Unteroffiziers. Sind sie gut drauf (Wochenende bei und/oder in ihren Frauen/Freundinnen/Zufallsbekanntschaften), drücken sie schon mal schneller ein Auge zu.
Dabei ist das eigentlich völlig egal, denn nach nur ein paar Metern des Marschierens, sind die Stiefel sowieso wieder fleckig. Dafür sorgt sowohl der Staub und der Dreck auf dem Kasernengelände als auch die hinter einem laufenden Kameraden. Ist ein tolles Gefühl, wenn man einen Tritt in die Hacken bekommt…

Nach dem reichhaltigen, schmackhaften und vor allem gemütlichen Mittagessen kommt ein ganz großer Moment im Leben eines Rekruten. Das heißt, ich hätte auf diesen Moment sehr gut verzichten können… Aber ich hätte ja auch Zivildienst machen können. Ja ja…Also gut: Los, G., zeig’ uns deine Waffen! Wir haben heute das allergrößte Vergnügen, das Gewehr G3 kennen zu lernen. Mit dem Ding in beiden Händen beginnt unser Unteroffizier zu dozieren: „Los, nehmt eure Hefte und schreibt mit! Also: Das Gewehr G3 ist eine automatische… Kommt ihr mit?“ Allgemeines Gestöhne unter den Soldaten, von denen die meisten ein Abi haben. „…ist eine automatische… Handwaffe… Soll ich buchstabieren?“
Dann leiert er noch die genaueren Daten dieses innovativen Gerätes herunter. Natürlich müssen wir die auch notieren. Selbstverständlich müssen wir auch die Sicherheitsbestimmungen in unser Heft (oder auch lose Blattsammlung) krakeln.
Wusstet ihr zum Beispiel, dass man mit der Waffe nicht seine Kameraden erschießen darf? Also, mir war das neu. In den nächsten Tagen und Wochen werden wir mit dem G3 rumspielen dürfen/müssen. Und auch auseinander nehmen und wieder zusammenbauen. Schließlich müssen wir ja sinnvoll beschäftigt werden.

Was ein Bundeswehrsoldat auch können muss, ist, eine Meldung zu schreiben.
Angenommen, also nur mal angenommen: Es ist Krieg. Ich sitze im Schützengraben. Ich muss an den Kompanie-Gefechtsstand eine Mitteilung machen, dass meine Chio-Chips (oder so was) alle sind.
Unser Zugführer, Oberfeldwebel S., erklärt uns, wie man das macht. Die Regel lautet: wo – wann – wer – wie – was. Und so diktiert er sein Beispiel: „Montag, 7.9. in Havelberg festgestellt Abreise des Pferdemarktes. Somit Nachschub von Lübzer Pils nicht mehr gewährleistet. Verfolgung in östlicher Richtung aufgenommen. Bitte um sofortige Weiterleitung an KP-Gefechtsstand.“
Und nun könnt ihr selbst urteilen, was von diesem Beispiel zu halten ist. Es sagt doch einiges über die Herrschaften unserer deutschen Bundeswehr aus…


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