Abi, mündlich

Obwohl es nicht gerade leer ist in der Cafeteria des LHG, ist es doch ziemlich still. Es herrscht eine angespannte Ruhe. Alle warten nämlich darauf, dass die mündliche Abiturprüfung beginnt. Ich habe heute meinen großen Tag in Biologie mit Herrn S.
Alle sitzen am großen Tisch und blättern in ihren Heftern. Ich überfliege nochmal die Seiten mit dem Ökosystem See.

Wenig später ist die Zeit gekommen, wo ich mit der Prüfung dran bin. Ich betrete, mit leicht zittrigen Knien, den Prüfungsraum. Dort erwarten mich gleich drei Lehrer. Da ist zuerst natürlich mein Fachlehrer Herr S. Er wird gleich die Fragen stellen. Als Zweites sitzt da die Prüfungsvorsitzende Frau B., die auch Biologie und Chemie unterrichtet. Und dann gibt es noch die Schriftführerin, Frau M. Sie hat nur zu schreiben und nichts zu sagen.
Als ich den Raum betrete, lächeln die drei mich an. S. ist der erste, der das Wort ergreift. „Hallo! Wie geht es Ihnen?“ (Herr S. hat mich noch nie gesiezt. Aber heute ist ja alles anders.) „Also, noch geht’s mir ganz gut. Aber ich habe ja auch noch nicht meine Aufgabe bekommen.“ – „Ach, das wird bestimmt nicht schlimm!“ Die drei kommen aus dem Lächeln gar nicht mehr heraus. „Sind Sie imstande, heute diese mündliche Prüfung durchzuführen?“ Meine Knie zittern, mein Magen rebelliert, ich stehe kurz vorm Kotzen, ich fange an zu schwitzen, mir wird langsam schummrig vor Augen. Aber das sollte ich vielleicht nicht erwähnen. Ja, alles okay, sage ich.
Der Umschlag mit den Fragen. Damit gehe ich rüber in den Biologieraum, der heute zum Vorbereitungsraum für die mündliche Prüfung umfunktioniert wurde. Hier haben alle Prüflinge eine halbe Stunde Zeit, sich die Fragen durchzulesen und sich einige Notizen zu machen. Ein paar Leute schwitzen bereits über ihren Zetteln, als ich von Frau T.  meine (noch) weißen Blätter bekomme. „Viel Glück“, sagt sie.
Ich setze sich an einen der Tische. Der Umschlag ist schnell geöffnet. Als ich mir die Aufgabe durchlese – Erleichterung: Ökosystem See. Das Risiko, die wirklich schweren Themen nicht oder nur sehr wenig zu lernen, hat sich also ausgezahlt. Und so mache ich mir Notizen über die Sauerstoff-Zirkulationen im See in den verschiedenen Jahreszeiten und über die Frage, warum Flüsse und Seen im Sommer manchmal „umkippen“.
Und jetzt ist es endgültig soweit. Meine mündliche Prüfung. Wenn diese erledigt ist, war es die letzte „Amtshandlung“ für die Schule. Alles andere, was in den nächsten Wochen folgen wird, ist Fun und Action. Herr S. ergreift wieder zuerst das Wort. „Sie können sich da an den Tisch setzen.“ Auf besagtem Tisch steht eine Flasche mit Zitronenbrause und ein leeres Glas. Ich gieße mir ein wenig davon ein und stelle beim ersten Schluck fest, dass ich doch keinen Durst habe. Und dann geht es los. Ich erzähle, was ich mir vorher alles aufgeschrieben habe.

Die Stunden bis zur Bekanntgabe der Zensur sind schleppend langsam vergangen. Aber jetzt ist es so weit. Die restlichen Abiturnoten werden allerdings erst später bekannt gegeben. Jetzt sind zwar alle wiederrum hochnervös, allerdings keinesfalls mehr so aufgeregt wie heute morgen. „Ich bin ja so gespannt!“ – „Ich bin bestimmt durchgefallen!“ „Das Thema habe ich überhaupt nicht gelernt.“ – „Hoffentlich ist die Note nicht schlechter als Eins minus!“ Ich werfe J. einen missbilligenden Blick zu.
Aber dann erscheint Frau E. mit den Zetteln, wo die Noten drauf stehen. Und mir fällt ein Stein vom Herzen: eine Drei plus!


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