Das erste Mal in West-Berlin

Der Abend des 9. November 1989 war historisch. Günter Schabowski gab bekannt, dass die Bürger der DDR mit einem Visa jetzt ganz leicht nach West-Berlin und der BRD fahren können.
Am Abend hatten wir das allerdings noch nicht so ernst genommen.
Am nächsten Morgen, als ich die Augen aufmachte, hörte ich im Radio die sich freuenden und vor Freude weinenden Menschen.
Es war der Morgen der „gefallenen“ Mauer.
Auch in der Schule wurde darüber gesprochen. Ich kam eine Stunde früher nach Hause und Mutti sagte: „Heute fahren wir nach West-Berlin!“ Auf diese Worte habe ich schon lange gewartet. Bei uns gingen unsere Verwandten ein und aus. Meine Tante war ganz aufgeregt.
Mein Bruder, Alexander hatte sich den Stempel und die 15 DM geholt.
Im Fernsehen erfuhren wir dann noch, dass man bis Sonntag, den 12. November 1989, noch ohne Visa fahren kann.
Um halb drei fuhren wir Richtung Grenzübergang Stolpe. Sehr viele Autos standen dort, die Polizisten wussten gar nicht mehr weiter (Sie haben dies aber trotzdem gut gemeistert). Eine Stunde haben wir gebraucht, bis wir sagen konnten: „Jetzt sind wir in West-Berlin.“ Aber wie es so
ist, haben wir uns erst einmal verfahren. Wir haben jemanden gefragt, wo es nach Hermsdorf geht, da hat er gesagt, dass er auch dort hin will, und wir sollen ihm nachfahren.
Unsere Verwandten trauten ihren Augen nicht. Wir, hier?!
Wir haben uns dort etwas aufgehalten und dann sind wir in ein Kaufhaus gefahren und haben eingekauft. Anschließend sind wir nach Tegel gefahren, haben uns aber wieder verfahren. Wir sind durch irgendein „Nest“ gefahren, haben Tegel aber doch gerunden, und sind dort auch noch herumgeschlendert.
Jetzt sah man das, was man sonst nur im Fernsehen sehen konnte. Aber nun wurde es Zeit, dass wir wieder nach Hause kamen. In Stolpe gab es keine Probleme, so dass wir um halb neun zu Hause waren. Dort konnte ich gar nicht glauben, dass ich in West-Berlin war, aber inzwischen glaube ich es.
Diesen Freitag, den 10. November 1989, meinen ersten Tag in West-Berlin, werde ich nie vergessen.


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schlagwörter:

Kommentare

5 Antworten zu „Das erste Mal in West-Berlin“

  1. […] und emotionalsten Ereignissen meines Lebens. Nicht nur, weil ich sie trotz meiner 11 Jahre schon sehr intensiv miterlebt habe, sondern weil sie mein Leben in eine Richtung trieb, die in der DDR so nicht […]

  2. Ich war auf der anderen Seite, damals 14 und habe das alles auch sehr intensiv erlebt, da wir viel „Ostverwandtschaft“ hatten (meine Großmutter kam aus Mecklenburg), ich die aber bis zum Mauerfall nur aus Briefen kannte. Und natürlich ging meine gut erhaltene Kleidung, aus der ich immer viel zu schnell herausgewachsen bin, an die jüngeren Mädchen in Schwerin.

    Gestern gab es eine mehrteilige Dokumentation im Fernsehen, „damals nach der DDR“. Und genau wie für dich ist das alles irgendwie immer noch genauso präsent wie damals, sobald ich die Bilder sehe. Frage mich lieber nicht, wie oft, viel und lange ich gestern dabei geheult habe. Selbst jetzt noch nach 23 Jahren.

    PS: Der Rückblick eines Wessi-Kindes auf die deutsche Teilung und Wiedervereinigung in meinem Blog wird folgen, aber ich habe ja auch gerade erst angefangen zu bloggen.

  3. RT

    Das geht mir ähnlich, und die phoenix-Doku habe ich tatsächlich auch gesehen. 🙂

  4. […] hatte er einen guten Riecher, als er die Gunst der Wendestunde nutzte. Am 9. November fiel die Mauer. Kohl legte bei Michail Gorbatschow gute Worte ein, als er am 10. November wissen wollte, ob es […]

  5. […] 1989. Damals titelte die Zeitung “Die Mauer ist weg! Berlin ist wieder Berlin!” Am Tag nach dem Mauerfall waren wir das erste Mal in West-Berlin, und damals war das natürlich DIE Schlagzeile. Und irgendwie war die Boulevardzeitung damit zu […]

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert