Die Thomaner – Herz und Mund und Tat und Leben

Neun Jahre. Das ist eine verdammt lange Zeit. Vor allem, wenn man fern der Heimat ist, weg von den Eltern, weg aus dem eigenen Zimmer. Nun ist man nie mehr allein, hat immer andere Jungs um sich, hat einen straffen Zeitplan zu absolvieren.
Das klingt nach einem harten Los. Aber die Schüler im Leipziger Thomanerchor sehen das völlig anders.
In diesem Jahr feiert der berühmte Chor seinen 800. Geburtstag. Unvorstellbar, wie viele Jugendgenerationen diese Schule schon durchlaufen haben. Unvorstellbar, dass sich einige Dinge seit 1212 wohl kaum verändert haben sollen.

Die Dokumentation über „Die Thomaner“ erlaubt einen Einblick in den Alltag der Jugendlichen. Wir sehen, wie die Neuen an die Schule kommen, ihre Trennung von den Eltern und wie sie von den älteren Schülern aufgenommen werden. Wir dürfen bei den Proben dabei sein, mit auf Reisen gehen und bekommen so einen Eindruck, wie sich das Leben in diesem Kosmos abspielt.
Unter der Regie von Paul Smaczny und Günter Atteln begleitete das Filmteam die Thomaner mehr als ein Jahr lang.

Was wir zu sehen bekommen, ist hochgradig beeindruckend. Die Jugendlichen haben zwar Dauerstress, aber sie empfinden ihn nicht so. Im Gegenteil, sie fragen sich, wie „normale“ Jugendliche die freie Zeit gestalten. Wir begleiten sie, wie sie Heiligabend durchs verschneite Leipzig ziehen und Lieder singen. Auftritte, Prüfungen, Hausaufgaben, Fußballspiele und und und.
Manchmal hat man allerdings den Eindruck, als ob alles zu gut läuft. Die Missbrauchsfälle der vergangenen Zeit spielen in dieser Doku über das Jungeninternat keine Rolle. Sexualität wird sowieso völlig ausgeblendet, was bei einer Doku über Pubertierende schon erstaunlich ist. In dieser Hinsicht hätten wenigstens drei, vier Sätze mal fallen können.
Dennoch ist dieser „Streifzug“ durch die Welt der Thomaner so spannend, dass man es selbst fast bedauert, so was nicht gemacht zu haben.

9/10


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Kommentare

Eine Antwort zu „Die Thomaner – Herz und Mund und Tat und Leben“

  1. […] Karfreitag, und dann noch Ehren des 800. Jubiläums des Thomanerchores (gerade lief die Doku über “Die Thomaner” im Kino), hätte der MDR ausnahmsweise mal einen Primetime-Sendeplatz springen lassen können […]

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